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einem solchen Bau, der ja nicht eigentliche Notwendigkeit war. Was er baute, war höchstens seine Residenz und ein Anfang seiner Grabkapelle an der Nordseite des neuen Langhauses. Ist diese Annahme richtig, so vermögen wir uns das Basler Münster in den ersten Jahren König Rudolfs deutlich vorzustellen. Es ist in der Hauptsache das Münster von heute, ohne die obern Teile des Chors, ohne die äußern Seitenschiffe, mit einer alten Fassade, in der das heute Galluspforte heißende Portal als Haupteingang steht, und mit zwei romanischen Türmen; auch der Kreuzgang ist mit seinen untern Partieen im heutigen größern Kreuzgange noch erhalten.

Mit Peter Reich aber kommt fühlbar ein neuer Impuls. Vielleicht ist an Anregungen zu denken, die er von seiner Dompropstei in Mainz mitbrachte. Eine zweite Bauperiode setzt nun ein, deren Leistung vor allem die gänzliche Erneuerung der Westseite ist; eine neue Fassade wird gebaut, der Südturm vom Erdboden an, der Nordturm vom zweiten Stockwerk an neu aufgeführt, das alte Portal in die Nordfront des Querschiffs verlegt. Aber man bleibt hierbei nicht stehen, sondern drängt weiter und zieht nun auch neue Mittel heran. Wiederholte Ablaßverheißungen an die Förderer des Münsterbaus, wiederholte Vermächtnisse Einzelner, ein dringliches Kollekteschreiben an alle Gemeinden der Diözese 1297 zeigen, mit welcher Energie diese letzten Bischöfe des Jahrhunderts verfahren. Es ist das Gefühl befestigter Zustände, das Bewußtsein von Macht, das nun wieder aus allem spricht. Auch handelt es sich nicht allein um eigentliches Bauen, sondern auch um reichere Ausgestaltung und Ausstattung des Innern. Wir gehen kaum irre, wenn wir dabei unmittelbare Einwirkungen zumal Straßburgs vermuten. Dort entstand in diesen Jahrzehnten der gewaltige Bau, über dessen Schönheit selbst ein Urkundenschreiber in Flammen geraten konnte und, seinen gewohnten Stil bei Seite legend, von den Blumen des Mais zu reden begann, denen gleich das Bauwerk in seinem Schmuck aufsteige. In derselben Zeit wurde auch der Turm zu Freiburg gebaut. Von solchen Vorbildern erregt hat namentlich der große Peter von Aspelt alles daran gesetzt, um den Bau auch seines Münsters in eine lichte Höhe zu treiben. Wir wissen nicht, wie weit empor er drang, wie weit seine Nachfolger das Werk führten. Das große Erdbeben hat Schöpfungen vernichtet, die wir nicht ahnen können.

Von dem Leben, das um die ruhige Macht dieses Münsters wogte, war schon die Rede. Es wurde gezeigt, wie auf dieser von jeher durch Beherrschung ausgezeichneten Höhe weltliche und geistliche Gewalt sich enge

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/138&oldid=- (Version vom 1.8.2018)