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Verschiedene: Wünschelruthe


se stimmet all, dat geit klip und klap! - ***en freute sich über die günstige Aussicht zur Auerhahnenhatz[WS 1], mehr aber noch über den ungebeugten Frohsinn des Alten. Wenige Tage ist ***en auf seinem einige Stunden entfernten Gute angelangt, da schickt unser Waidmann seinen treuen Knappen, den alten Kasper mit einem Schreiben, worin ein selbigen Morgens verhörter und bestätigter Auerhahn angezeigt wurde, welcher so groß ist wie ein Schaaf. Der gleich herüber reitende ***en langt spät Abends an, wird mit der, von dem unter der weißen Schlafhaube aus dem endlich ausgeklopften Fenster schauenden Alten herzlich gemeinten Frage: wo het de Düvel Ihr Gnaden so lange hat? empfangen, und am folgenden Morgen zieht man zu Holze, voraus, weil es noch ganz finster, der mit der Laterne vorleuchtende schwarze Kasper, dann der führende Alte und endlich ***en mit seinem Jäger. Als des Auerhahns Schleiffen zuerst in weiter Ferne gehört wird, gebietet der Alte seinem Kasper die Laterne zu löschen und sich ruhig an einen Busch zu legen. Da goh liegen, Kerel un mucke nich! dat seg ick di, stilleken, stilleken, un wann di wat vorfallen söll, so most et stille afmaken. Der Hahn schnalzt und schleifft. Während die andern zurückbleiben, springt ***en an; wie pochte des Alten Herz! jeden Schritt und Sprung zählend, vermuthend, daß der Schütze den Baum nun gleich erreicht habe[WS 2], auf welchem der Hahn steht, ergreift er plötzlich in höchster Spannung des neben stehenden Jägers Arm mit den Worten: Jäger nu paß up! gliek werd se nu führen de gluhtige Schnute[1]! in dem Augenblicke fällt der Schuß, der Auerhahn stürzt mit vielem Geräusche durch die Aeste des Baumes, und der entzückte Alte ruft: jo hei liegt! Süstu (wurde nun der gefällte Vogel angesprochen) hef ick et di nich gistern morgen al vertellt, dat ick die enne verschrieven wull!

(Der Schluß folgt).




Über altdeutsche Gemälde.




(Fortsetzung).

Die geistige Bedeutung war in der That das höchste Ziel jener Malerei, aber nur insofern sie sich in der sinnlichen Erscheinung, schon in der Natur, dem Auge offenbart; und die Künstler wußten am besten, daß sie nur mit dieser stufenweise zur Vollendung schreitet. Aus diesem Gesichtspunkte muß es betrachtet werden, in welchen Gegenständen vorzugsweise und in welchem Grade sie in ihren Werken idealisirten. Sehr natürlich mußten ihnen dazu die augedeuteten Gegensätze von Ein und All, von Gemüth und Welt schon von selbst werden; indeß konnten sie sich erst vollständig ausbilden, als durch die Eyckiche Schule, die zuerst die ganze Natur zu umfassen strebte, die Landschaft eine so große Stelle erhielt, wie sie, bis zu ihrer fast gänzlichen Scheidung von der Bildung menschlicher Gestalten und Geschichten in weniger unbefangenen Zeiten, dieselbe nie wieder erreicht hat. Aber auch in andern Rücksichten wurde durch die Eycks eine solche Revolution hervorgebracht, wie wir sie nicht leicht so plözlich sonst in den bildenden Künsten wiederfinden. Es hatte sich in der bisherigen Malerei stufenweise bis auf das Kölner Dombild (mag es auch später seyn, es bleibt der Culminationspunct des altrheinischen Styls) eine große Idealität der Formen entwickelt, augenscheinlich aber weniger aus der Anschauung der Nutur, als durch Tradition aus den ersten rohen Keimen dazu in den byzantinischen Bildern. Die Eycks, rein aus der Natur schöpfend, verwarfen fast alle Tradition die nicht durch die der Geschichten nothwendig bedingt war; man findet vielleicht keine augenscheinliche[WS 3] Spur davon in ihrer Schule, ausgenommen, ohne Zweifel auf Verlangen einer Kirche, in dem göttlichen Christuskopf von Hemmelink, woran die Boissereesche Sammlung erst kürzlich eine der schönsten Bereicherungen erhalten hat; und doch wie sehr nach dem Geiste der Naturmalerei modificirt! Immer aber braucht gewiß die Kunst viele Zeit, um Formen, die sie unmittelbar aus der Natur auffaßt, mit dem Ideal zu verschmelzen, und so finden wir in der Eyckschen Schule bloß strenge Naturnachahmung, wo die Form allein in Betracht kommt. Wir möchten dieß aber nicht einem Mangel an Formensinn zuschreiben, da auch die Gestalt zu einer höheren Erhebung gelangt, wo sie mit dem Geistigen enger in eins verbunden erscheint, das dann nicht ohne sie gesteigert werden kann; so daß die Köpfe auch oft in den Zügen, ungeachtet der so häufigen Porträtirung, von einer mehr als menschlichen Erhabenheit sind - ich erinnere an Eycks Madonna auf der Darstellung im Tempel. Denn der Geist hielt sich nicht in den Schranken der speciellen Anschauung, und Alles was dazu dienen konnte ihn als überirdisch darzustellen, faßten jene Männer auf; nur gaben ihnen immer die einzelnen Erscheinungen der Natur mehr den Anlaß hierzu, als daß sie es im Geist sich hätten aus sich heraus entwickeln lassen; und so tritt hier das Ideal nie so rein und selbstständig hervor als aus einem ganz freien und in sich großartig abgeschlossenen Gemüthe wie Rafael. - Einen ähnlichen Geist finden wir in der Behandlung des


  1. Gleich wird er nun reden der glühende Mund, er meynte die Flinte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Auerhahnenbatz
  2. Vorlage: abe
  3. Vorlage: angenscheinliche
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_210.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2022)