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Verschiedene: Wünschelruthe


Wiegenlied.

     Auf den Wellen wiegen
Blümlein, die da liegen;
Fernes soll sich finden
Und zur Lieb’ verbinden;

5
Auf und nieder geht der Wind

Schneller junges Herzblut rinnt.

     Wasser kanns nicht dämpfen
Feuer nicht bekämpfen,
Well’ die Welle fliehet,

10
Und zusammen ziehet,

Auf und nieder geht der Wind
Herze find ein Herz geschwind!

     Lächelnd in der Wiegen
Fromme Kindlein liegen

15
Schreien nicht und weinen,

Wenn die Stern nicht scheinen;
Auf und nieder geht der Wind
Freud und Leid Geschwister sind.

     Wenn die Wellen einen

20
Blümelein die kleinen,

Schwimmen sie verbunden
Die sich hier gefunden;
Auf und nieder geht der Wind
Träume süß mein liebes Kind.

Sigurt Albro




Torquato Tasso’s befreytes Jerusalem




Sechster Gesang.




(Fortsetzung).
81.

Einst kömmt sie hin, und anderswo verweilet
     Klorinde grad. Still steht sie, in Gedanken;
     Sie sinnet, wie sie klug von hinnen eilet,

220
     Wie sie verstohlen schleicht aus ihren Schranken.

     Da in verschiedne Pläne noch sie theilet
     Den irren Geist in zweifelvollem Schwanken,
     Erblickt sie an der Wand Klorindens schönen
     Schlachtrock und Wehrschmuck, und beginnt zu stöhnen.

82.

225
Und stöhnend sagt sie: „O zu seel’gen Loosen

     Ist doch die wunderkühne Maid erkieset!
     Wie neid’ ich sie! nicht um der Schönheit Rosen,
     Nicht um den Mädchenruhm, den sie genießet:
     Nein, weil kein lang Gewand sie hemmt den grosen

230
     Kriegsmuth kein neidisch Kämmerlein verschließet.

     Ihr Kleid ist Stahl. Wann sie zu gehn begehret,
     Wird nie durch Furcht noch Scheu es ihr gewehrt.

83.

Konnte mein Loos nicht gleiches mir erlauben,
     So starken Leib, ein Herz so unerschrocken,

235
     daß ich für Panzer auch und Waffenhauben

     Umtauschen dürfte Frauenschley’r und Rocken?
     Daß nie mein feurig Sehnen Sturmwindschnauben,
     Platzregen schreckte, Gluth und Winterflocken?
     Daß kühn ich ständ’, in Sonn’-, in Mondenscheine,

240
     Im Feld in Waffen, mit Gefolg, alleine?


84.

Dann durstest Du nicht, wilder Fürst Argante!
     Mit meinem Herrn den ersten Kampf verwalten:
     Ich war’s dann, die ihm erst entgegen rannte,
     Und könnt’ ihn jetzt vielleicht gefangen halten;

245
     Hier hätt’ er nur durch seine liebentbrannte

     Feindinn ein leicht und mildes Joch erhalten,
     Und diese Fessel, welche mich umwinden,
     Würd ich, durch seine, süß und linde finden.

85.

Und wenn sein Arm dagegen meinem Blute

250
     Bahn brach durch diese Brust mit Herzenswunden:

     Durch Schwerdschlag durfte die vom Liebesmuthe
     Geschlagne Wunde also doch gesunden.
     Dann mogte, wenn der matte Leib nun ruhte,
     Und wenn den Frieden meine Seel’ erfunden,

255
     Der Sieger ein’ge Ehre wol gewähren

     Der Asch’ und dem Gebein: ein Grab und Zähren!

86.

Doch ach, ich wünsch’ Unmöglichkeit! vom Schwarme
     Thörigter Träume nur lass’ ich mich jagen!
     Doch bleib’ ich hier? soll’ ich in feigem Harme,

260
     Nach Art gemeiner Weiber, hier verzagen?

     Nicht bleib’ ich, nicht! Muth stärkt mir Herz und Arme!
     Sollt’ ich nicht auch einmal den Panzer tragen?
     Nicht kurze Zeit gewachsen seyn den Waffen,
     Sind gleich die Glieder schwach und zart geschaffen?

87.

265
Ich könnt’, ich könnt’ es! Liebesgeister machten

     Mich stark, die hohe Kraft in Schwache bringen,
     Die oft dem feigen Hirsche Muth anfachten,
     Gewaffnet kühn zum Kampf hinan zu dringen.
     Ich suche mit der Wehr ja keine Schlachten,

270
     Will nur mit ihr die Liebeslist vollbringen;

     Klorinden spiel’ ich; sicher werd’ ich gehen,
     Lass’ ich mich als ihr Ebenbildniß sehen.


So hoff’ ich, daß ich leicht durchs Tor entrinne;
     Kein Torwart mag Klorinden widerstreben.

275
     Ich finde keinen Weg, wie sehr ich sinne;

     Mir, dünkt mich, öffnet sich nur dieser eben.
     Zufall begünstigt und der Gott der Minne
     Harmlosen Trug, den Er mir eingegeben.
     Wohl günstig ist die Stunde für die Sache,

280
     Dieweil Klorinde noch verweilt beym Schache“.
(Der Schluß folgt).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 87.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)