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Verschiedene: Wünschelruthe


Der Knabe läßt den Anker,
Und lässet die weiße Hand,

55
Und jaget das Schifflein über das Meer

Vorbei am grünenden Land.





3.

Was hör’ ich die Wälder rauschen,
Und rauschen die Wogen laut?
Was seufzet so trauriges Knaben Stimm’

60
In wüthende Windesbraut?


Die Winde haben ein Schifflein getrag’n
In Felsen und Klippen graus,
Da branden die Fluthen so grimmig,
Da tobet des Sturmes Gebraus.

65
Die Lindenblättchen grüne,

Sie trinken den Wellentod,
Zerstreuet treiben im Winde
Die Rosenblättchen roth.

Der Knab ist untergesunken

70
Wohl auf des Meeres Grund,

Da hat ihn der Anker gefunden,
Der faßt ihm das Herze so wund.

Der faßt ihm das brennende Herze
Und spielet in blutiger Lust,

75
Und gegen den kalten Boden liegt

Des Knaben heiße Brust.

Das Mägdlein wandelt am Ufer,
Das Auge von Thränen feucht.
„Ach hab ich den Anker verloren

80
Und hat ihn der Anker erreicht?


Und liegt er am kalten Meeresgrund
Mit seiner Brust so heiß?
Und darf ihm nicht streicheln das wunde Herz
Mit meinen Händlein so weiß?“

85
Da weinen die blauen Aeugelein

Um des Knaben herben Tod,
Da rinnen die klaren Thränelein
Wohl über die Wangen roth.

Sie rinnen in Meereswelle,

90
Und rinnen auf Meeresgrund,

Und suchen den lieben Knaben
Mit seiner Brust so wund.

Sie sprechen von süßer Liebe
So freundlich in sein Herz,

95
Von Wänglein roth und Aeuglein blau,

Und lindern ihm den Schmerz.

Hans auf der Wallfahrt.



Ut den Levende van Jhesus vnd Marien.
girdruket to Lübeke, jn deme Jare na der bverth Christi dusent veerhundert lxxviii.
Hir leth Maria ere kint to der schole gaen.

Maria leeth dat kinth Jhesus in der schole gaen. wente he was syner moder Marien horsam. und deede wat se em hete mit willen. se nam dat kint Jhesus by siner hant, unde gynk mit em dar de schole was. vnd beuoel id dem mestere van der scholen, vnd sprak dat he to dem kinde wolde seen, vnde leren em dar beste dat he kunde, se wolden em dat wot lonen. vnde se bat en, dat he id nicht sere scholde sian. wente id were noch junk unde he kunde dat wol mit worden dwingen. Alse Jhesus nu in de schole quam, so nam he een bok in syne hant als de anderen kinder deden. so vant Jhesus in deme boke een bokstaff de genomet is Alpha up jodisch, vnde O dat den lerden lüden wol bekant is. wente he is runt als een cirkel, so dat he neen ambegynne, ok neen ende hefft. Den bokstaue sach Jhesus an vnde sede to syme mester: Myn’ leue mester mit iuweme orlaue vraghe ik iw, unde bidde dat gy my bescheiden willen vnde seggen, wat disse bokstaue betekenen. De mester swech stille, vnde wenkede em mit deme houede, wente he muste em dar nicht up to antwerden, vnde kunde der bokstaue bedudinge nicht. vnde begunde quad vnd tornich to werden up dat leue kint Jhesus. Do dat kint dit sach do sede id to em aldus: Leue mester weset nicht tornich uppe my dat ik iw vraghe, wete gy der bedudinge nicht, so wil ik se iw wol seggen. De twe bokstauen als Alpha vnd O beduden de gotheit, vnde dat schole gy also verstan: wente Alpha is de erste bokstaff in de jodischen schrifft, dat bedudet dat got en ambegynne is der jodtschen ee gewest. vnde is ok en ambegynne aller dinge. Auer O dat is en lattinisch bokstaff dat recht vnd gancz de gotheit bedudet. wente O dat is eene runde figure als en cirkel de nicht een ambeghinne noch neen ende hefft. Also is ok de gotheit, de neen ambegynne hefft ghehat. vnde wert ock neen ende hebben. wente se is gewest to ewighen tyden. vnde blifft ok to ewighen tyden.


boerth Geburt. – leth läßt. – leeth ließ. – wente denn, nämlich. – deede that. – hete hieß. – beuoel befahl. – sprak dat he to dem kinde wolde seen, sagte ihm daß er nach dem Kinde sehn möchte. – scholde slan, möchte schlagen. – quam kam. – bokstaff Buchstabe. – genomet genannt. – lerden lüden gelehrten Leuten. – hefft hat. – sede sagte. – leue lieber. – iuweme orlaue euerer Erlaubniß. – gy ihr. – willen wollet. – betekenen bezeichnen. – swech schwieg. – houede Haupt. – bedudinge Bedeutung. – quad bös. – weset seyd. – wete wißt. – der jodischen ee des jüdischen Gesetzes. – tyden Zeiten. – blifft bleibt.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_190.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)