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Verschiedene: Wünschelruthe


Wirft sie ein Ringlein wohl in den Fluß,
Weil feindliche Woge sie scheiden muß.

     Wirft er die Angel in die Wellen wohl hin,

10
Winde und Wellen die flüstern um ihn,

Rauschen im Wipfel und strömen zum Meer -
„Siehst sie wohl nimmer und nimmermehr.“

     Zuckts an der Angel und zuckts in der Hand,
Zieht er das Ringlein aufs grünende Land: –

15
„Ewigkeit ist ein goldener Ring“ –

Auge und Herze ihm überging.

Hans auf der Wallfahrt.




Das Jägerhaus.




(Schluß).

Zur selben Stunde wandelte auch Marie neben ihrer Schwester, die Wiesen entlängst durch die wehenden Pappeln, und näherte sich unbewust dem Jägerhause, deß ich im Beginn der Erzählung gedacht. Man sah es an ihrem zögernden unsteten Gang, daß sie mit schmerzlichen Ahnungen kämpfte; oft blieb sie stehn und sah zurück und breitete die Arme nach der Abendferne, - dann neigte sie sich wieder zu den Blumen und flocht ihrer Schwester einen Asternkranz, den sie mit großen Thränen benezte. Ihr Gesicht war bleicher als jüngst, jedoch ihr Blick um vieles bedeutender, und ihre zarte Gestalt erschien fast schwebend, ja beinah überirdisch verklärt. Lange war sie so in sinnendem Vergessen vor sich hingeschritten und unter dem Ordnen der gepflückten Blumen, nahm sie das drohende Wetter wenig wahr, das, im Gebirge bereits heftig blitzend, jezt plötzlich einen reißenden Sturm gleich einem Herold vor sich niedersandte. Gar sehr erschrocken, sah sie auf, - einen Augenblick lang auf Umkehr denkend - doch da es hinter ihr schon wie Hagel brauste, das Jagdhaus aber dicht vor ihr lag, wohin auch Agnes ängstlich verlangte, floh sie mit einiger Scheu dahin, und eilte durch die offenstehende Pforte. Drinnen fand sie einige Bäuerinnen die ebenfalls hier Zuflucht gesucht, und während sie von einem Fenster zum andern ging um ihre steigende Beklemmung zu verbergen, zog das Gewitter immer finstrer an und schleuderte immer röthere Blitze. Auf einmal schlug Agnes freudig in die Hände, und rief aufhüpfend: „Schwesterchen sieh! Edmund, auf einem wunderschönen Pferde!“ - Und wirklich zog er in raschem Galopp auf dem Thalweg heran, doch hatte der Sturm sein Haar und seinen Mantel so widerwärtig empor gesträubt, daß Marie, ihn erkennend, beinah aufschrie und einen stechenden Schmerz am Herzen fühlte. Doch augenblicklich sammelte sie sich, und wie er vorübersprengte, rief sie ihm zärtlich seinen Namen zu, worauf er überrascht vom Sattel flog, und ungesäumt ihr entgegen eilte.

Sie war schon halbbewustlos hinausgestürzt und über die Schwelle des Hauses getreten, und eben wollte sie ihn, der noch zweifelhaft anstand, an ihren bebenden Busen ziehen: da geschah ein furchtbarer Schlag, - ein Blitz fiel verzehrend vom Himmel herab und schleuderte Edmund tod zur Erde. - Marie sank lautlos über ihn hin und man muste glauben sie sey mit erschlagen, so innig hatte sie ihn im Fall umfaßt, so war ihr Pulsschlag und Leben vergangen. Ehe jedoch die Frauen und das arme Kind, das weinend in einem Winkel knieend die kleinen Hände zum Himmel erhob, die beiden Gefallnen aufrichten mochten, sprengten auch Holm und Antonie - die Edmund vorsätzlich zurück gelassen, um seine Braut auf ihre Nebenbuhlerin vorzubereiten - vom Tode verfolgt am Jägerhause an, und Edmunds bäumendes Pferd an der Pforte findend, stürzten Beide sorglos berein, den Freund und Geliebten lebend zu umarmen. Doch mit krampfhaftem Schrei wich Antonie zurück als sie die beiden Todten erblickte, und Holm der stürmisch hinter ihr eintrat, wendete sich dumpfstöhnend ab, als ahne auch er die Nähe des Rächers. Dies Geräusch weckte Mariens Bewustseyn. „Zurück, ihr feindlichen Gestalten!“ rief sie mit herzzerschneidendem Ton und einem Blick der fast an Wahnsinn grenzte: „Seht her, das ist aus meinem Bräutigam geworden, und dahin habt ihr Beiden es gebracht - denn schuldlos und rein, hätt’ er so nicht geendet! Ich kenne Euch wohl; zumahl dich, falsche Dirne, die mir so oft in Träumen erschien, sich höhnisch zwischen mich und Edmund drängend. - Nun ist er tod - nun läßt du mir ihn doch? da du ihn lebend mir entwendet, ist’s doch wohl billig daß seine Asche mir bleibt!“ - Sie schwieg und sank aus den Todten zurück. Zermalmt von Schuld stand Antonie vor ihr. Sie hatte kein Wort auf diesen Grus; ihr Auge war starr und ihre Lippen zuckten, indeß ihre Brust wie im Fieber flog. „Rette mich Bruder“ - stammelte sie endlich: „ist Edmund hin, was soll mir die Thörin!“ Und Beide gingen wie Verräther davon, als ein Wagen herankam und Mariens Pflegvater aus dem Schlage sprang, um seine verirrten Schützlinge zu suchen.

„Ach du arme Fürchterlichgetäuschte!“ sprach er tief bewegt, indem er sie dem Leichnam entwand und eilend über die Schwelle getragen: „Nur hieher hättest du dich nicht flüchten müssen: - der alte Fluch war noch nicht versöhnt, und Edmunds wohlverdientes Geschick hat dich Unglückliche

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)