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Verschiedene: Wünschelruthe


gegen Süden einsehen konnte, war’s, als werde der Paladin ein wenig still, und alte, einst liebe Erinnrungsbilder zögen ihm noch einmal durch die Seele; doch sah man auch deutlich wie die schöne Dirne ihn dieser Veränderung wegen höhnisch neckte, und immer trauter und zärtlicher that, ja, ihm so manches scherzend auszureden suchte, was wie eine Last aus seinem Herzen lag. Da klärte sich denn sein Gesicht wieder auf, er fiel in die vorige Liebesthorheit, umfaßte die Schöne heißer als zuvor und Alle trabten froh und guter Dinge auf der steinigten Straße fort. - Sie waren noch nicht weit gekommen, da scheute sich plötzlich des Verliebten Pferd und that einen mächtigen Sprung zur Seite, - denn eine alte Zigeunerin richtete sich in einer nahen Verzäunung auf und hielt ihm die dürre Hand bettelnd entgegen. „Verdammte Drude“ rief er ergrimmt, und hieb ihr mit der Ruthe über den Rücken: „wer heißt dir so unverschämt wegelagern?“ - „Kennt ihr mich denn nicht mehr?“ gab sie heulend zurück „wir standen uns doch schon einmal ganz nahe!“ und Edmund sah mit Entsetzen jene Alte, die ihm am Morgen seiner Heidelberger Reise, fast wie sein böses Schicksal erschien. „O weh, was willst du mir!“ rief er bestürzt „nimm dieses Goldstück, nur fluche mir nicht, - denn beten mochtest du wohl niemals lernen!“ Er wandte sein Pferd um davon zu jagen, doch warf ihm die Alte seine Gabe nach und schrie durch die Fistel: Treuloser Bube, deine Fahrt ist aus: Gedenke meiner im Todesgraus!“ - Er hatte die furchtbaren Worte nicht gehört, und war den übrigen wieder nachgekommen, die ritten nun still und gemächlich fort, er aber flog eilend an ihnen vorüber, bedeutete sie ihm langsam zu folgen und verschwand bald in der Krümmung des Thals.

(Der Schluß folgt).




Jahr und Leben.
Vier Elementarlieder.




III.
Wasser.
Herbstes Sterben.

Im engen Kreislauf ist zur Wage
Abwärts wendend die Sonn’ getreten,
Schwer ist der Herbst zur Erd’ gesunken
Hat in der Wag’ den Sommer aufgezogen.

5
     Der Sonne Gluth

     Verläßt das Blut,
Stumm wird irdische Klage!
Weil drüben die Wolken sich röthen,
Umspielt von des Abendlichts Funken!

10
Hinein in die stillen Wogen,

     In des Himmels tiefes Meer!
     Erdenketten so schwer,
     Erdenleben so leer,
          Drüben

15
          Die Lieben!

               Müder
          Schlagen die Lider
          Die matten Augen
               Nieder.

20
     Der Mensch hat alle Frucht zu Haus getragen,

Die er durch’s Leben sich gewann für’s Sterben.
Im Innern hat das Haus er voll getragen,
Die Erde hat ihn eingesetzt zum Erben,
Doch mit dem Leben ist er ihr verfallen

25
Sie zieht es nieder in die stillen Hallen.


     Er tritt hervor in tiefer nächt’ger Stille,
Der Mond liegt wiegend sich auf ferner Höhe
Und schaut ihn an durch nackter Zweige Hülle,
Als ob nochmal die Jugend ihn ansehe.

30
Erinnrung webt aus Mondenstrahlen Blüthen

Die einst ihn in der Jugendsonn’ durchglühten!

     „Wie, Mond, nur hast das Licht, nicht Gluth der Sonne?
Wie, Herbst, nur hast die Farb’, nicht Gluth der Blüthe?
So liegt das Abbild nur von jener Wonne.

35
In meiner Seele, die mich einst durchglühte.

Du Lieb’ die du mich knüpftest einst ans Leben
Das Leben must du nun dem Himmel geben.“

     Er wendet sich, das Haus liegt vor ihm trübe.
„Wie wird es klein, wenn es zum Sarg sich enget!

40
Doch schloß es ein des ganzen Lebens Liebe,

Lust, Freude, Leid, zusammen still gedränget!
Das steigt empor! im Sarge bleibt die Hülle -
Da droben Licht! hier unten Schatten - Stille.“




Shackspeare.




Eine Lobrede auf Shackspeare halten, wäre das lächerlichste Unternehmen, das je einem müssigen Rhetor in den Kopf kommen könnte. Aber erinnern darf man wohl bisweilen daran, daß auch in seinen kleineren Gedichten ein Schatz verborgen liegt, der es verdient, nicht verborgen zu liegen. Manches ist spitzfindig; aber meistens ist es, wie so oft den Shackspeare, eine Spitzfindigkeit, die aus der Tiefe des Gemüthes hervor geht. Manches ist dunkel, weil es auf einzelne Verhältnisse sich bezieht, die wohl von jeher nur wenigen bekannt waren, aber man bringe nur (die volle

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_167.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2018)