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erzählt im Buch von den Naturen der Dinge: da Neapel durch die verderbliche Pest der Blutigel verheert wurde, ist es von ihm durch einen goldnen Blutigel befreit worden, welchen er in einen Brunnen warf. Als derselbe nach Verlauf vieler Jahre bei Reinigung jenes Brunnens herausgezogen wurde, so drang ein unzähliges Heer von Blutigeln in die Gewässer der Stadt, und die Pest konnte nicht eher gestillt werden, als bis jener Blutigel wieder in den Brunnen versenkt worden war.

Der genannte Alexander Nequam erzählt auch, daß Virgil seinen Garten mit einer unbeweglichen Luftschicht, welche die Stelle einer Mauer vertrat, gesichert und umzogen hat, und eine Luftbrücke erbaut, durch deren Hülfe er jeden Ort nach dem Gutdünken seines Willens zu besuchen pflegte.“

In den Gesta Romanorum Cap. 57 lautet der Anfang: „Titus regirte in der Stadt Rom. Er machte das Gesetz, daß der Tag seines erstgebornen von allen geheiligt werden sollte, und wer den Geburtstag seines Sohnes durch eine knechtische Arbeit befleckte, der sollte sterben. Nachdem das Gesetz bekannt gemacht war, rief er den Meister Virgilius, und sagte: Bester, ich habe das und das Gesetz gegeben; aber doch können oft im geheim Sünden begangen werden, welche nicht zu meiner Kenntniß gelangen. Wir bitten dich also, daß du vermöge deiner Betriebsamkeit irgend ein Kunststück erfindest, wodurch ich erfahren kann, welche die sind, die gegen das Gesetz verstoßen. Virgil sagte darauf: Herr, dein Wille geschehe. Sogleich ließ Virgil durch magische Kunst eine Bildsäule mitten in der Stadt entstehen. Diese Bildsäule pflegte alle geheimen an jenem Tag begangnen Sünden dem Kaiser zu sagen. U. s. w.“ Nun fängt eine wunderbare Geschichte an vom Schmidt Focus, und seinem Räthsel, welche wir anderswo mittheilen werden. Von Virgil ist nicht weiter die Rede, als in der Nutzanwendung, in welcher unter Titus Gott verstanden wird, unter dem Geburtstag des Sohns, der Sonntag, und unter „Virgil, welcher die Bildsäule gemacht hatte, der heilige Geist, der die Predigt angeordnet hatte zur Verkündigung der Tugenden und Laster, der Strafe und Herlichkeit.“

(Der Schluß folgt).




Ueber altdeutsche Gemälde.




(Fortsetzung).

Wenden wir uns nun von dieser Art der Malerei zu einer früheren ganz davon verschiedenen, die auch eine sehr ausgebreitete Wirksamkeit gehabt zu haben scheint, und an deren Spitze bis jetzt der Name Israel von Meckenheim decken (Mecken, Meckenen) der Vater [1460] steht, so wird uns die bedeutende Schwierigkeit klar, ihr Verhältniß zu den andern Schulen einigermaßen zu verdeutlichen. Ihr Hauptsitz scheint wieder Köln gewesen zu seyn; doch erscheint darin von dem Eignen der altkölnischen Art fast nur das einzige, daß der Goldgrund in so große Rechte tritt als je; - dieß ist auffallend bei einer höchst scharfen und bestimmten Charakteristik, da der Goldgrund immer Allgemeinheit andeutet und die Individualität der menschlichen Gestalten auch, wenn man so sagen darf, Individualität in den Umgebungen zu verlangen scheint. Dieser Umstand wird uns aber erklärbar, wenn wir hier seine Entstehung aus der gänzlichen Unfähigkeit zur Landschaftsmalerei und allem was dahin gehört an einzelnen Theilen wahrnehmen, schon am Boden auf dem die Figuren stehen. Das Characteristische und der Typus der Gestalten beurkundet dagegen genaue Kenntniß der Eyckschen Weise, durchaus ohne das Schwanken zwischen diesem und dem idealen Styl, welches früher beschriebene Bilder, aus derselben Zeit und selbst noch später, bezeichnete. Wie mag es kommen daß hier nur diese Eigenschaften den Niederländern nachgeahmt wurden, und zwar oft vortreffflich, mit einer seltenen Herrlichkeit und Mannichfaltigkeit des Ausdrucks, von allem übrigen aber, der schönen Anordnung, der wunderwürdigen äußerlichen Naturnachahmung, der Glut und Saftigkeit des Colorits u. s. w. keine Spur mehr übrig ist, und vielmehr hier eine Annäherung an die Steifheit und Trockenheit des ältesten oberdeutschen Styls Statt zu finden scheint? - Wir kennen in Köln kein so schönes Beispiel dieser Art als die zwölf Apostel und die Vermählung der heil. Jungfrau in der Boissereeschen Sammlung; doch ist ein Flügelbild bei Herrn Lieversberg, die Verklärung, Kreuzigung und Auferstehung Christi vorstellend, ingleichen eine Verklärung in der Fochemschen Sammlung zu beachten. Zu einer ähnlichen Art rechnen wir die zwölf Apostel in derselben, wobei wir nicht an Michel Wolgemut denken möchten, obgleich hier die Aehnlichkeit mit dem Oberdeutschen am auffallendsten ist.

Wenn man alles zusammen betrachtete und vergliche, was wir von niederdeutschen Gemälden aus dieser Zeit haben, so würden sich noch mehrere solcher verschiedenen Modifikationen des Styls ergeben, deren Endpunkte denn freilich sehr weit auseinander liegen. Der größere Theil davon mag sich zur charakteristischen Seite neigen. So wissen wir noch immer nicht mit Gewißheit genau anzugeben, wohin die herrliche Passion aus acht Tafeln (in der Lieversbergischen Sammlung) zu rechnen seyn mag, welche F. Schlegel in der Europa, in der ersten Freude über die große neue Entdeckung der kölnischen Kunstwerke, so lebendig beschreibt. Diese Bilder indessen, die als ein Muster mannichfaltigen und sprechenden Ausdrucks gelten können, haben hierin die

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)