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Gottfried hatte unterdessen fleißig gearbeitet in der Fremde, sich einen guten Nothpfennig zurückgelegt, und seine treue Brust erfüllte ein freudiges Vertrauen zu Gott, er werde nur bald unter seinem Seegen und Walten in die Vaterstadt zurückkehren und als tüchtiger Meister sich und seine Helene ernähren können. Deshalb war er heiter und aufgeweckt bei der Arbeit, immer früh auf und niemals verdroßen, es ging ihm flink von der Hand und in der Werkstatt war seine Arbeit am meisten belobt, so daß der Meister sich gar nicht von ihm zu trennen wünschte, sondern lieber in Gemeinschaft mit ihm sein Handwerk getrieben hätte. Nur seit einiger Zeit war Gottfrieds Heiterkeit durch eine Beängstigung eigener Art getrübt. Es war ohne daß er sich eigentlich den Grund angeben konnte, eine heftige Unruhe über Helenen in ihm, die ihm schlaflose Nächte machte. Er träumte er sehe sie schneeweiß und ganz verändert, als Leiche daliegen, und um den Sarg waren lauter Rosenkreuze geschlungen, Gottfried fragte die Umstehenden, weshalb es keine Lilien wären, da antwortete man ihm, weil die Lilien die Unschuld und die Rosen glühende Liebe bedeuteten. Und diesen Traum, mit nur etwas veränderten Umständen, hatte Gottfried zu dreien Malen. Nicht, daß er beim Erwachen ihn auf eine Untreue seiner Helene gedeutet hätte; denn so wie er ihr das treuste Herz bewahrte, so kam ihm auch kein Zweifel an Helenens Sinnesart, die er so andächtig hoch hielt, ins Gemüth; aber es war ihm, als müste Helenen ein großes Herzeleid widerfahren seyn, und darüber ängstigte sich Gottfried im Stillen über die Maaßen ab. Da nun die Weihnachtsfeiertage nahe herangerückt waren, so gedachte Gottfried, sich selbst auf den Weg zu machen, und Helenen zu besuchen; auch wollte er ihr die ihm so werthe Botschaft bringen, wie sie nun in gar kurzem, so es noch Gottes Wille sei, ihren Haushalt anfangen könnten. Von dem zurückgelegten Nothpfennig nahm Gottfried etwas hinweg, und kaufte dafür ein feines Ringlein und ein klein silbern Kettlein, Helenen zum Braut- und Weihnachtsgeschenk. Somit machte sich Gottfried in Gottes Namen auf den Weg, und wie er nur im Freien und auf der großen Straße war, und die beschneiten Büsche im Wald ihre Silberblüthen auf ihn niederschüttelten, ward ihm um vieles wohler, er freute sich auf sein Liebchen, und auch das Kätzchen dachte er sich gern wie es um ihn her schmeicheln würde beim warmen Ofen, und wie die Sonne frühlingsmild über dem Schneefeld leuchtete und die Vögel im Walde fröhlich waren, ward auch sein Sinn ein muntres Vögelein das der Sonne traute, und er sang ein frisches Wanderlied ins Himmelblaue hinein: -

     Frisch auf mein Herz! sei wohlgemuth,
Es geht zur Liebsten hin,
Die Liebste ist dir treu und gut,
Und hat dich wohl im Sinn.

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     Ob’s noch so kalt von oben weht,

Im Walde tiefer Schnee,
Wer warm und treu zur Liebsten geht,
Weiß nichts von Winterweh’.

     Drum Herz, schlag’ froh, wie hier im Wald

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Die muntern Vöglein thun!

In Liebesarmen wirst du bald
Wie sie im Baume, ruhn.

(Die Fortsetzung folgt).




Der Wanderer.







     Es kommt ein Wanderer gegangen,
Durch einen Mantel leicht verhüllt,
Von hohem Königsglanz umfangen,
Und wie ein Engel sanft und mild.

5
     Er kommt aus fernen Wunderfluren,

Doch immer nur zur Winterszeit,
Und fortgeweht sind seine Spuren,
Wenn er sich unserm Dienst geweiht.

     An einem grünen Bäumchen zündet

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Er viele hundert Lichter an,

Schmückt ihn mit Früchten, sanft geründet,
Mit goldnem Kleide angethan.

     Und dann mit kindlich inn'ger Freude
Und tief bewegtem, ernsten Sinn,

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Streut er aus seinem weiten Kleide

Die bunten Gaben um sich hin.

     Und läßt die Kindlein alle kommen,
Daß sie am Goldglanz sich erfreun,
Und prüfend wählt er sich die Frommen,

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Und ladet zum Genuß sie ein.


     Wenn er nun sieht, wie Jedes heiter
Sich seinem Jubel überläßt,
Dann eilt er ohne Säumen weiter,
Zu einem neuen Wonnefest.

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     Und plötzlich ist er dann verschwunden,

Und Niemand weiß wohin er ellt,
Bis in des Jahres letzten Stunden
Auf Augenblick’ er bei uns wellt.

     Ach! wüßt’ ich doch nur, wo er bliebe! -

30
Ihm würd’ ich folgen, ihm allein,

Dann würd’ bewegt von meiner Liebe
Er ewig, ewig bei mir seyn.

Heinrich Fischer.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_132.jpg&oldid=- (Version vom 2.3.2018)