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unendlicher Sehnsucht zerfließen. Armuth ist nach meiner Ueberzeugung eine der wohltätigsten Erzieherinnen der Kunst, und Nüchternheit eben so. Wäre Krumpipen nicht bei sich selbst auf der Mast, es wäre gewiß etwas aus ihm geworden, Alle erhabenen Gesichter, die er schneidet sind wirkliche Seelenflüge, die ihm ins Fleisch geschlagen sind. Der Schauspielkunst geht es nicht anders, seit die stehenden Theater in den Schutz der Serenissimi gekommen, sind die Zugvögel so schneckenfett geworden, daß sie in dem stehenden Sumpfe liegen bleiben und nicht mehr nach schönerem Frühling ziehen, den sie uns mitbringen. Soll es mich nicht rühren, wenn ich eine freudige offene Natur wie sie, mein Freund, so verlohren finde in niederem schwerfälligen, fruchtlosen Treiben: soll es mich nicht zerrreißen, wenn ich ein so liebliches, reines, festes, bestimmtes Kind, wie die holdseelige süßlächelnde Psyche in solchem elenden Handwerke sehe. Ach sie ist so malerisch wie der Farbenschimmer an dem Hals einer Goldtaube, so plastisch wie eine elfenbeinerne Maus, so lirisch wie ein Minnelied des Walthers von der Vogelweide, so episch wie die goldlockichte Briseis, so mithisch wie Psyche, so dramatisch wie Julie und Miranda, und Desdemona und so romantisch wie Mignon, Gott weiß, wie sie ist. Ich kann oft nicht begreifen, wie das zarte durchsichtige Kind alle die Schätze ihres Innern[WS 1] so sicher trägt, ohne einmahl zu zerspringen, und in einem Feuerwerk, Springbrunnen, in einer Hymne, in einer Duftwolke, in einer Fatamorgana von Liebesglut, süßen Thränen, Nachtigallentönen, Blumen und Farben gen Himmel zu strömen. Süßgefüllter hat sich nie der Blumenstrand eines seelenvolles Hauptes mit Vergißmeinnichtaugen, Lilien und Rosenwangen und Kirschenlippen und einem blühenden Frühlingenäschen, Riechfläschchen der Venus! über dem zierlich geschwungenen, von Hesperischen Apfeln überwallenden Füllhorn eines Leibes erhoben. Alles dieses aber ist nur die Klangfigur der herrlichsten harmonischsten Seele. Diese ganze Schönheit ist durchaus mehr magisch, als phisisch, denn man braucht kein Mann zu sein um sie zu lieben. Schafft sie nicht alles zum Paradiese um sich, huldigen ihr nicht die Kleinen, die Bäume, die Vögel, die vierfüßigen Thiere, wie der Eva vor dem Sündenfall. Wie sanft schreitet das wilde Pferd unter ihr, daß ihr der Begeisterte ungrische Magnat Passamanelki geschenkt, als sie im Zriny gespielt. Wie schmiegt sich der nackte Amerikanische Hund zu ihren Füßen, den ihr Maranda schenkte, für ihre Gurli. Wie fressen die Goldfische aus ihren Lilienfingern, die ihr der Generalstaaten van der Mees für ihre Pamina gab, welchen Buckel macht der Angorische Kater des[WS 2] Marchese Ballabene neben ihr, die Kanarienvögelhecke, die ihr Papageno angelegt, singt und flattert und schnäbelt auf ihrem Haupt. Aber wie liebt sie die Thierchen auch, ist sie nicht wie Mutter Natur? Wer kann es dem Amanten verdenken, daß er ihr opfert, er ist der Herr des Geldes, auch das edle Metall sehnt sich nach ihr, und rollt freudig klingend in den Klingelbeutel der Armuth, in den Opferstock[WS 3] der Grazien, in den Schoos der Danae. Ach ich kann das Leben um sie beneiden, der ewig blühende Rosenstock, den ich ihr geschenkt, wird täglich mit dem Wasser begossen, in dem sie die Blüten ihrer Schönheit erquickt. O seelig, wer der Rosenstock wäre! wie unaussprechlich liebenswürdig war sie neulich, als sie an ihrem Geburtsfeste den Distelfinck aufforderte den Canon anzustimmen dulce loquentem, dulce ridentem Lalagen amabo. Lalagen müste sie heißen! Aber ich sehe mit Beschämung, wie thöricht ich hier geschrieben, sieh, verdammter Mensch, nimm ein Beispiel an mir, wohin deine unseelige Kunst einen führt, der Zorn über den Misbrauch göttlicher Dinge treibt mich wie der Meersturm einen Delphin vor die Korallengrotte einer bezaubernden Sirene. O Direktor gebe der Psyche den Abschied, oder ich werde ein Komödiant um als Hamlet zu ihr zu sagen, gehe in ein Kloster. Ich soll eine Kantate auf den Puthan schmieren, und würde ich es, Sie hörten sie doch nicht an, auf den Distelfink werde ich eine schreiben, ich komme, aber bringen sie Lalagen Psyche mit. Ach ich habe heute die ganze Nacht vor ihrem Fenster gestanden, es war Licht, und ein Gegehe bei ihr, ich fürchte sie ist auf den Calderon nicht wohl geworden. Morgens gieng der Arzt aus dem Haus.

Ihr
Poet.
(Die Fortsetzung folgt).




Elegie.

Aus dem Romaischen.







     Ich komme zur Laube voll Rosen,
O liebliche Braut, Chaidee,
All Morgens mit Flora zu kosen,
Die wahrlich in dir ich nur seh.

5
Hier klag’ ich so tief, o Geliebte,

Vernimm dies Geständniß von mir,




Anmerkung. Diese Elegie ist Lieblingsgesang der jungen Mädchen aller Stände in Athen - in sanftklagender Weise, wird sie[WS 4] als Rundgesang vorgetragen. Vrgl. Byrons works vol 4. p. 43. wo der Lord eine metrische Uebersetzung vom Original aber nur die beiden ersten Zeilen mittheilt. -

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Innnern
  2. Vorlage: der. Siehe Druckfehler S. 136
  3. Vorlage: Opferstall. Siehe Druckfehler S. 136
  4. Vorlage: es. Siehe Druckfehler S. 136
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_110.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2018)