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ganz dunkel; ein großer schwarzer Hund streifte an ihm vorbei, ihn beschnuppernd; zur Seite ging eben eine Thür zu, in welche er das schöne Bild, welches er in der Brust trug, hieneinrauschen sah. Mit bangem Zagen öffnete er die Thür, zu den Füßen der Holden im[WS 1] voraus sich träumend. Aber wie erstaunte er, als er statt ihrer ein altes Weib fand, das unter einer rauhen Kappe von Bärenfell ein abschreckendes Antlitz verbarg, und durch ihre Brille auf das schnurrende Spinnrad sah. Vor ihr stand eine trübbrennende Lampe, ein aufgeschlagnes Gesangbuch lag daneben; auf ihrem Schoße lag eine braun und schwarze Katze[WS 2] und ein schöner Vogel mit blauen glänzenden Federn, sang[WS 3] über ihrem Haupte im Käfig schwebend eine damals bekannte Weise. - Die Alte schien den eingetretenen Fremden nicht zu bemerken, aber plötzlich sprang der schwarze Teufel von ihrem Schooße, dem Ritter auf die Schultern und wollte eben seine Krallen einschlagen als die Alte herbeikam und das Thier wegriß, indem sie sagte: Sei ruhig Bruder! dann schnarrte sie dem Ritter ein: guten Abend, entgegen und bot ihm Willkommen. Er mußte ihr gleich seine Irrfahrt erzählen, woraus sie freundlicher wurde und dann pfeifend mit wunderlicher Gebährde aus der Thür sprang um ein Abendbrod zu bereiten. Nun war Franz allein und von seinem ersten Erstaunen über so viel fremdartige Gegenstände erwachend, dachte er zuerst an seine entschwundne Schöne; in das Zimmer war sie gegangen und doch in keinen Winkel zu finden; auch hatte das Zimmer keinem[WS 4] weitern Ausgang. Das war ihm wieder ein neues Wunder - und gerade das, welches sein Herz mit Schmerz füllte, so daß banges Liebessehnen wie eisiger Frostwind seinen Busen durchschnitt. - Auf einem alten Schranke fand er ein glänzendes Kästchen; er hob es herab, und an der einen Ecke es betastend drückte er an eine verborgne Feder, so daß der Deckel vorsprag. Er schaute in einen hellen Metallspiegel - dessen Folie eine rosenfarbne Feuersgluth zu sein schien; in dem Feuer erblickte er einen Zweikampf - ein Ritter hatte ein junges Weib im Arm, an deren Seite ein schönes fast dem Jungfraualter nahes Kind, stand - auf beide drang ein andrer ein, in dem Franz den Alten erkannte, denn er im Traum gesehen hatte; der Alte wollte die beiden niederhauen, aber das junge Weib, schien ihm höhnisch entgegen zu lachen. - Der Glanz des Spiegels blendete ihn so stark, daß seine Augen sich unwillkürlich mit Thränen füllten; er schlug das Kästchen zu auf dessen Deckel mit goldnen Buchstaben stand „bis zu Freundes und Feindes Tode“! und wollte es eben auf seine Stelle setzen, als die Alte das Abendessen auftrug. Sie sah ihn etwas böse an und sagte, „der junge Herr hätte wol[WS 5] besser gethan, wenn er nicht gleich Alles durchsucht hätte! die Jugend ist aber immer vorwitzig und neugierig, drum betrüb’ er sich nun so und setz er sich her“. Franz hatte freilich - während des Tages keine Speise zu sich genommen, aber Gott weiß - bei der Alten da am Tische ergriff ihn ein großer Widerwille gegen die Speisen. Der Kater schnurrte unaufhörlich um den Tisch die Alte knirschte ununterbrochen mit den Zähnen - vor der Hütte heulte der Hund als ob er ahndete, daß bald jemand sterben würde - und der silberfarbne Vogel sang eine wehmüthige Weise

 O Herze mein
 Wo möcht’st du sein?
 An eines Königs Thron
 Bei eines Königs Sohn

5
 Da möcht’st du sein

 O Herze mein! -

Schweig mein Jung’! rief die Mutter dem Vogel zu - er schwieg und neigte mit wunderlicher Gebährde sein Haupt, als ob er sterben wollte, dann sah er Franzen so wehmüthig an, wie Vögel es können - steckte das Köpfchen unter den silbernen Flügel und schlief ein. Auch der Kater ward ruhig und nun ward die Alte plötzlich sehr munter schäkerte mit Franz und sprach viel von Ritterfahrten und schönen Frauen, Franz faßte nun auch ein Herz zu ihr und tief aufathmend sprach er: Erlaubt mir liebes Mütterchen, daß ich euch nun eins frage - was mich neugierig gemacht hat! Wo ist eure Tochter? - Habe keine Tochter, brummte die Alte, und hätte ich eine, so würde ich sie so jungen lockern Burschen wie ihr zu sein scheint, nicht zeigen? Franz erzählte nun daß er das Mädchen vor der Thür gesehen habe, und daß sie hier im Zimmer unsichtbar geworden sei. Die Alte wollte von nichts hören und schloß damit: Gott weiß was ihr da draußen im Mondschein für eine schöne Jungfer angesehen habt? - Es ist nun Zeit daß ihr euch zur Ruhe begebt - es ist spät in der Nacht und ihr habt heute viel von der Hitze gelitten. Damit führte sie ihn auf ein Dachstübchen wo sie ein weiches Lager von grünem Moose bereitet hatte. Franz sagte: gute Nacht Mütterchen! - Großen Dank Herr Franz! -

(Die Fortsetzung folgt).




Volkslieder.




8.

     Was ist das Lieblichste?
Eine schöne Sommerabend Stund,
Ein Kuß von einem rothen Mund
     Das ist das Lieblichste.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in. Siehe Druckfehler S. 124.
  2. Vorlage: braun und eine schwarze. Siehe Druckfehler S. 124.
  3. Vorlage: hing. Siehe Druckfehler S. 124.
  4. Vorlage: keinen. Siehe Druckfehler S. 124.
  5. Vorlage: mal. Siehe Druckfehler S. 124.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_103.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)