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Verschiedene: Wünschelruthe

Was das Aug’ sieht, glaubt das Herz.




Das verlaßne Mädchen.







     Aus den Armen aus dem Herzen,
Aus den Augen aus dem Sinn;
Tiefe Liebe, tiefe Schmerzen –
Meine Freud’ ist mir dahin.

5
     Deinen Ring will ich zerbrechen

Log mir doch sein goldner Mund,
Mag von deiner Treue sprechen
Auf des Flusses feuchtem Grund.

     Und es wird das Herz mir brechen

10
Trog mich doch dein arger Mund,

Will von falschen Schwüren sprechen
Auf des Wassers stillem Grund.

Z.




Briefe über das neue Theater.




(Fortsetzung).

Liebster Direktor, wenn ich die hohe Aufgabe, die reichsten Mittel, und die mögliche Wirkung der Schauspielkunst in der Einsamkeit meines Herzens so recht betrachte, erschrecke ich, denn ich sehe das Ungeheure, und ich fühle dann, daß sie, wenn sie nicht im strengsten Sinne und Stile zum Heiligen und dessen Feier hinarbeitet, sehr verdächtig ist. Es entstehen dann tiefe Zweifel in mir, ob sie nicht auf jedem andern Wege zu den verbotenen satanischen Künsten gehöre, was sich aus der Combination ihrer unendlichen hohen Aufgabe mit allen endlichen niedrigen ja infamen Beziehungen ihres jetzigen Zustandes leicht vermuthen läßt. Selbst ein Theaterdirektor, der den Macbeth oder den Faust gespielt, kann nicht mehr an einer Macht des Abgrunds zweifeln. Alles Leben und dessen historische Jugenderinnerung, und aller ewige Glauben erkennt die misbrauchende zum ewigen Tod hinlockende Gottesnachäffung des Satans in allen reichen Werkstellen des menschlichen Geistes, welche der göttliche verlassen hat. Alles Zauber und Hexenwesen, das so lange wir davor schaudern, nicht wegzuleugnen ist, geht aus dieser Kehrseite des Lebens hervor, und wenn ich die Armseeligkeit, den Schmutz, das elende Lumpenleben der armen verruchten Hexen neben ihrer hohen Aufgabe Wunder zu wirken betrachte, so fällt mir auch gleich die ganze innere Misere, Lumpenwirthschaft, Lüderlichkeit, und Eitelkeit, das flüchtige, gespannte, gehetzte Leben der Komödianten ein, die um einige Groschen (das ist der Teufel!) die außerordentlichsten Kunstaufgaben lösen sollen, das zerstreute Leben in sein Simbol erhoben in unsere Sinne zu stellen. Ach und ihr thut es auch nicht besser, als die Hexen ihre Wunder. Ein bischen Wettermachen, der Kuh die Milchverderben, Liebestränke kochen, Nestelknüpfen, auf dem Besen zum Teufel fahren ist auch bei euch das ganze Facit der hohen Aufgabe. So geht es dem Satan und seinen Dienern, er geht krumm vor ihnen her und ruft ihnen zu, geht grad wie ich, er will sie lehren Fiat zu sprechen und kriegt selbst nur Pfui heraus. Wehret euch nicht gegen meine Paralele! Hat ein einfaches unschuldiges Mägdlein von 15 Jahren, welche der Frühling unter dem berauschenden Dufte des blühenden Hollunders zu wecken im Begriff steht, wenn sie in einem tief unwahren, liebesgiftigen, edelnden, von euren geschminkten aufgewichsten, aufgeschnürten, aufgedonnerten, ausgestopften Missethätern mit wollüstigem Gequick und Gegurgel herausgekrampften Schauspiele, hingerissen weint, hat

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_097.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)