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Verschiedene: Wünschelruthe

Genoveva in San Raniero im Staube gelegen – beten konnte sie nicht, und nicht weinen. Am Morgen des dritten Tags trat sie scheinbar gelassen, aber leichenblaß, mit zuckenden Lippen vor den Podesta, und klagte ihren Gatten des Raubmordes an, indem sie viele nähere Umstände angab; – man grub nach, Grimaldi’s verwester Leichnam, noch kenntlich an der Kleidung, fand sich in dem Keller – die Sbirren ergriffen den Goldschmied; vor Gericht geschleppt erpreßte die Folter bald von ihm das Geständniß einer Gräuelthat die er nie begangen hatte – das Todesurtheil war gesprochen. – Da zitterten wieder die Glocken bang wie sein Herz, und ihre Klänge wehten wie Todesseufzer um ihn, der feierlich langsame Zug, das angstschwüle Menschengewühl wälzte sich lautlos den Marktplatz, dem Hochgericht zu.

Fazio hatte, nachdem er die Absolution empfangen, weinend den Himmel zum Zeugen seiner Unschuld angerufen, einer andern schweren Schuld sich bewußt hatte er der Gattin verziehen. – Die letzten schrecklichen Augenblicke waren überstanden – der Körper, vom Hochgericht abgnommen, wurde auf einem erhöhtem Gerüste dem Volke zur Schau gestellt. Da drängte sich eine Frau, zwei Kinder mit sich reißend, durch die gaffende Menge, ihr glänzend schwarzes Lockenhaar fliegt wild um das bleiche Antlitz um den weißen Nacken – das thränenlose Auge ist starr halbgebrochen, die Züge verzeert wie vom Wahnsinn. – Alles weicht überrascht zurück. – Sie eilt die Stufen des Gerüstes hinan, und läßt die jammernden Kleinen den kalten Leichnam umklammern, die blauen Lippen des Gerichteten küssen; plötzlich reißt sie einen Dolch unter dem Gewande hervor und stößt ihn dem ältern Knaben ihn aufzerrend, in die Brust, schon liegt auch der Jüngere blutend und röchelnd neben dem todten Vater, die Nächsten stürtzen entsetzt herbei, aber auch sie hat sich den Stahl ins Herz gedrückt ehe man sie hindern kann. – Noch einmal seufzend sinkt sie über den erstarrten Gatten hin und ihr Blut vermischt sich mit dem schuldlosen Herzblut der Kinder Fazio und Valentina sind in ungeweihter Erde eingescharrt – das Grab der Kinder wird auf dem mittleren Theil des Campo Santo vor Pisa gezeigt. – Es pflegt der Benedictinermönch, welcher die Fremden auf diesen in mancher Hinsicht merkwürdigen Kirchhof umherführt, das klägliche Schicksal der Familie bei der Grabstätte der beiden Knaben zu erzählen; er fügt hinzu, daß nach dem unerforschlichen Rathe der Vorsehung es noch hienieden aller Welt habe kund werden sollen, wie Fazio’s Hände von Blut unbesudelt gewesen. Antonio Cortesi, ein Töpfer aus Pisa, wegen gottvergeßnen ruchlosen Wandels lange verschrieen, sei endlich über Diebstahl ertappt worden, und habe in der peinlichen Untersuchung, neben andern frechgestandnen Schandthaten, sich des Mordes an dem dürren genuesischen Hunde, wie er ihn nannte, berühmt. Auf dem Markte habe sein wohlgezielter Messerstich den schleichenden Filz getroffen, dieser, mit der Wuth und Kraft der Todesangst sich losringend, sei mit unbegreiflicher Schnelligkeit entronnen, er aber der Hoffnung reicher Beute verlustig gewesen. – Dieser, sagt der Mönch, werde jenseits verdientem Lohne nicht entgangen sein, wie er denn auch auf eine schmachvolle Weise wäre hingerichtet worden.

Z.     




Das Leipziger Kreutz.
(Auf der Babenburg bei Bamberg, in der Nacht vom Sturm umgestürzt, 1817).




Hoch auf dem Berge steht das Kreutz,
     Trotzt allem Sturmes Graus,
Ein Denkmal jener Wunderschlacht,
Die Freiheit unserm Volk gebracht,

5
     Scheint weit in’s Land hinaus.


Drob zürnt der Fürst der Finsterniß,
     Der’s Kreutz nicht leiden mag,
Nicht leiden mag den neuen Schwung
Aus Knechtschaft und aus Dämmerung

10
     Zu Freiheit, Licht und Tag.


Der ruft die Winde all’ herbey:
     Auf, werft das Kreutz mir um!
Der Ost und Nord sprach: Nein ich stritt
Ja selbst auf Leipzigs Feldern mit;

15
     Der falsche West blieb stumm.


Nun, rief der Teufel, du! das ist
     Ja wohl ein Streich für dich!
Ah Monsieur Satan, pardonnez!
Der deutschen Säbel thun gar weh,

20
     Ich bitt’, entschuldigt mich.


Da tritt der Südwind vor: Ich thu’s,
     Doch unter dem Beding,
(Am hellen offnen Tage nicht!
Dergleichen, wißt ihr, scheut das Licht)

25
     Daß ich’s bey Nacht vollbring’.


Der Erbfeind grinzt ihm Beyfall zu;
     Bravo! Du bist mein Mann!
Und steht das Holz zu fest, nimm Du
Ein Dutzend Teufel noch dazu!

30
     Nun auf und mach dich dran.
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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)