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Verschiedene: Wünschelruthe

Sicherheit von gewonnenen Goldbarren reden. Die Nachbarn, die Bekannten blieben anfangs freilich ungläubig, doch da er seine Freude so wahr, so natürlich zu zeigen wußte, als er von einer Reise nach Marseille sprach, wo das rohe Metall am vortheilhaftesten gegen gangbare Münze umgesetzt werden könne, und gar das Meiergütchen verpfändete, vorgeblich um mit dem gelösten Pfandschilling die Reisekosten zu bestreiten – da mußten sie wohl schwankend in ihrem Unglauben werden. – Nur der unglücklichen Valentina wurde es schrecklich klar, daß Fazio, dem mit seiner Habe auch die letzte Hoffnung nun darauf gegangen sei, den Schimpf selbstverschuldeter Verarmung zu vermeiden und den Jammer der Seinen nicht anzusehn in die Fremde ziehe, von ihr auf immer, und sie mit den Waisen im Elend verlassen wolle. Lange ließ sie den Gram stumm am Herzen nagen; Fazio bemerkte nicht daß sie blasser wurde, daß oft ihre Augen von Thränen überliefen, als er aber die Zurüstungen beschleunigend, den kommenden Tag zur Abreise bestimmte, da vermochte die Arme nicht es länger zu ertragen, da brach es hervor. Beide Kinder an der Hand stürzte sie in die Werkstatt wo der Goldschmied das Reisegeräth ordnete, sie warf sich nieder vor ihm auf die Knie, das glänzend schwarze Haar umspielte frei in Ringen den weißen Nacken und schmiegte sich bebend, wie in den Armen der Liebe, an den wallenden Busen, indem einzelne Thränen wie funkelnde Sterne aus der wunderbaren Nacht der großen Augen tropften: – Kannst du uns verlassen, Anselmo, stammelte sie schluchzend die Arme flehend zu ihm aufgehoben: sollen wir vergehen Vater! – und die Kinder knieten und weinten mit ihr. Da mußte Fazio die magische Gewalt erfahren, die den Blicken und Thränen geliebter Wesen gegeben ist; es griff wie mit glühenden Händen ihm ans Herz und zog ihn herüber unwiderstehlich, überwältigt beugte er sich liebeathmend zu dem holden Weibe nieder, und wie er die lichten Tropfen von den seidnen Wimpern küßte, rannen ihm Thränen schmerzlich süß wie die Sehnsucht, die Wangen herab. Liebe, Vertrauen waren triumphirend in seine Brust gezogen, ihnen öffnete sich das Herz wie der geheimnißvolle Kelch der Lilie den Stralen der Sonne. – Er hob die Gattin empor in seine Arme, unter den zärtlichsten Liebkosungen flüsternd: nein Geliebte, nein, so nicht, so ist es nicht! – Jetzt muste er ihr Alles sagen, Alles zeigen, Alles entdecken; dann suchte er mit schönem Eifer den lieblichen Bildern Worte zu geben, die sein trunknes Auge in dem Zauberspiegel der Hoffnung erblickte; es waren die Reichthümer eine goldne Saat, welche der warme seegenduftende Hauch der Liebe als eine reiche selige Zukunft aufgehen ließ. – In stiller Wonne lauschend saß Valentina ihm auf dem Schoos, sie verschlang seine Worte und hörte doch nur weniges, immer schaute sie dem Einzigen mit glänzenden Augen in das freudeverklärte Antlitz – sie sollte ihn ja behalten, und er war so froh. Wenn Fazio goldne Netze ausspannte das flüchtige Glück des Lebens zu erhaschen, so glaubte sie schon jetzt in seinem Besitz, in seiner Liebe die höchste Seligkeit zu umfassen.

Ungern nur sah sie es ein, daß er fort müsse und zu dem so entlegnen Orte um den vorgegebnen Handel ohne Gefahr der Entdeckung durchführen, und es betrübte sie sehr, wenn gleich Fazio versprach möglichst schnell zurückzukehren – das könne ihr nicht zu schwer werden, meinte sie, sich recht betrübt und kläglich anzustellen wenn er fern sei, Klagen und Thränen stellten auch so schon sich ein. –

In der Frühe des nächsten Tages war es, da der Goldschmied auf einem stattlichen schwerbeladnem Maulthier, Pisa verlassend die Straße nach Livorno einschlug, wo er sich einzuschiffen gedachte. Zuerst war ihm freilich das Herz schwer vom Abschiede, wie er aber die balsamische Luft einsog, die ihm der Morgen duftschwanger über den Hügel entgegentrieb, da wurde ihm leichter, er fühlte sich frei und doch weich; er blickte auf, und die tiefblaue Decke des Himmels schien ihm ein unendlich Herrliches zu verbergen, und die Erde hinaufzuschauen wie eine Jungfrau zu dem fernen Geliebten; blitzende Juweelen zitterten wie Thau auf dem farbigen Gewand das die schönen lebenswarmen Glieder verräterisch umschloß, er fühlte daß ein frischer würziger Athem den sanftgewölbten Busen hob, daß die Pulse lebendig schlugen wie in seiner Brust. Der Arno, ein silbernes Band, schlang sich ihr um den Gürtel und flatterte und rauschte in Wasserfällen. Klare Seen blickten ihn an wie helle Augen, und er mußte lächeln und weinen zugleich wie ein Kind, und Alles wurde nur glänzender. Wie er sich zurückwandte die Vaterstadt zu betrachten, da kam sie ihm so kalt, so unbekannt vor, ja es schien ihm unmöglich daß die engen dumpfen Mauern könnten ein Leben gefangen halten, daß er so reich, so glühend in sich fühlte. Auch die herauswehenden Glockenklänge der Frühmette, sprachen in halbfremden halbvertrauten Tönen von einer andern, einer schönern Heimat, so war es ihm. –

Doch die Stimmen verhallten, und der Goldschmied folgt sinnend dem breiten gemächlichen Wege. Der Anblick ährenwogender Felder, sorgfältig gewarteter Olivenpflanzungen, der traubenschweren Reben die sich mit grünen Armen um fruchtprangende Maulbeerbäume, um glattstämmige Ulmen bis hoch in die dunkelglänzenden Blätter winden, lockt Fazios Gedanken bald in den freundlich beschränkten Kreis des geselligen Treibens zurück – das Gold leuchtet fröhlich

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_070.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)