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Verschiedene: Wünschelruthe


Die Sonne stand schon hoch am Himmel, da erwachte der Goldschmied mit einem seltsam drückenden Gefühle. Schwere Träume hatten ihn umschwebt, doch konnt’ er sie nicht ins Gedächtniß zurückrufen; anfangs zwar fühlte er sich wohl geneigt auch das Abenteuer der Nacht für ein Gaukelspiel der Phantasie zu halten, allein der durchnäßte Mantel, seine ganze Umgebung ließ ihn die Wirklichkeit erkennen, und er erfreute sich der schönen Gewißheit im erquickendem Anblick des errungenen Schatzes. Die Stimme in seinem Innern, welche ihn des Raubes anklagen wollte, wurde leicht mit dem Gedanken beschwichtigt, daß der Genueser weder Weib noch Kind, weder Verwandte noch Freunde habe; stand er ihm doch so nahe als jeder Fremde, und näher, denn in der bangen Stunde des Todes, in den letzten martervollen Augenblicken war er ihm hülfreich beigesprungen. – Still wurde sein Gemüt, wie nach dem Sturme das Meer, und die Hoffnung schwamm, wie ein seegelprangendes Schiff, auf der heitern Fläche fernen reichen Gestaden zu. –

Bedächtig und mit froher Selbstzufriedenheit sann Fazio aus, was er thun, wie er sich zeigen wolle – Mitleidig lächelnd blickte er zu dem Ofen hin, und auf die kleinlich mühsamen Anstalten, die ihn so lange in ängstlicher fruchtloser Thätigkeit hielten, auf das rastlose vergebliche Ringen ein Gut langsam zu gewinnen, das ihm nun in einer Nacht, fast im Traum, das Glück verschwenderisch in den Schoos geschüttet hatte; ja er fing an die Unfehlbarkeit der Kunst zu bezweifeln, seine Arbeitseligkeit, sein gläubiges Streben erschien ihm fast als kindisch, als Thorheit. – Dennoch wurde das Werkgeräth in die nöthige Ordnung gebracht und Valentina traf ihn zurückkommend über der gewohnten Beschäftigung. Inniger als je zuvor herzte er seine Lieben, mit zärtlicher Vorsorge, mit linderndem Mitgefühl und heilendem Trost wußte er bald den Kummer der Gattin zu stillen die um den Vater trauerte, das frohe Geheimniß in der Brust wirkte sanfterwärmend und wohlthuend auf sein ganzes Wesen. – Das stille Weib kannte und verbarg kein Geheimniß, als das unergründliche unaussprechliche Geheimniß der Liebe – heiß und fest umschlang sie den Geliebten der ja nun der Einzige war, und ihr Herz jauchzte, daß sie ihn wieder näher und liebender fühlte. Sonst war es ihr wohl oft als dränge sich ein finstres unholdes Etwas zwischen ihn und ihre Liebe, doch das war nun anders und Valentina war glücklich. –

(Die Fortsetzung folgt).




Romanzen aus dem Altspanischen.
Von F. W. Carove.

8.

Romanze vom Ritter Garzia (p. 278).

Dorthin Ritter Garzia gehet
     Auf der Mauer einen Gang,
Eine Hand hält goldne Pfeile,
     Bogen hält die andre Hand;

5
Fluchend geht er dem Geschicke,

     Führet eifrig mit ihm Zank:
Mich von kindauf zog der König,
     Mich zum Mann hat Gott gemacht,
Gab ein Streitroß mir und Waffen,

10
     Durch die mehr gilt jeder Mann;

Er auch gab mir Frau Marien
     Zur Genossin, zum Gemahl,
Gab mir hundert junge Frauen
     Zu begleiten sie zumahl,

15
Gab das Schloß mir von Urenja,

     Daß ich Haus mit ihr dort halt’,
Gab mir hundert starke Ritter
     Zu des Schlosses Schirm und Wacht;
Er versah mir es mit Weine,

20
     Er mit Brod es mir versah,

Er versah’s mit süssem Wasser,
     Dessen kein’s im Schloß es gab;
Mir umringten es die Mohren
     Früh am Tage Sankt Johann,

25
Sieben Jahre sind vergangen,

     Lassen nicht vom Lagern ab,
Sterben ich die Meinen sehe,
     Weil nichts mehr zu geben hab’,
Stell sie, wie sie sind, bewaffnet

30
     Auf die Zinnen hier und da,

Daß die Mohren glauben mögen,
     Fertig seyen sie zum Kampf;
In dem Schlosse von Urenja
     Ist Nichts als ein Brod noch da,

35
Und wenn ich’s den Kindern gebe,

     Meinem Weib, wie geht es dann?
Ess’ ich selbst es, ich Armsel’ger,
     Dann die Mein’gen führen Klag’. –
Aus dem Brod macht er vier Stücke,

40
     Nach dem Königszelt sie warf,

Zu des Königs Füßen fallet
     Eines jener Stück’ hinab;
Alla zürnt auf meine Mohren,
     Alla ihnen zürnen mag,

45
Mit den Brosamen des Schlosses

     Sie das Königszelt versah’n! –
Die Trompete heißt er stoßen,
     Gleich sein Lager schlagen ab.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_067.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)