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Verschiedene: Wünschelruthe

einem Haken befestigt, bequem aus Grimaldi’s Gürtel. Tiefaufathmend drückt Fazio den seegenverheißenden Fund an die unruhig klopfende Brust, ihn dann mit einem Lächeln, worin Furcht und Freude ungewiß kämpfen, vor die Augen zuckend steht er träumerisch sinnend da. – Doch schnell ist die kleine Blendleuchte hervorgesucht und angezündet, der weite schwarze Mantel umgeworfen, die Lampe ausgelöscht; wie ein unschätzbares Kleinod preßt er die Schlüssel heftig in die Hand, sich selber Schmerz erregend um ihrer nur gewiß zu sein – den großen Hut in die Augen gedrückt tritt er schüchtern, leise aus der engen knarrenden Thür hinaus in die wilde Nacht, den verräterischen Schein der Leuchte behutsam mit dem Mantel verhängend. – Gar wohl bekannt war ihm die Wohnung des Genuesers, worin dieser, kaum vor zwei Jahren blutigen Unruhen in seiner Vaterstadt entweichend, sich angesiedelt hatte, einsam und lichtscheu hausend dem Uhu gleich, zusammengewucherte unermeßliche Reichthümer – so ging die Sage – wie ein gebannter Geist ruhelos zu hüten.

Nur auf Grimadi’s Schätze den Sinn gerichtet, folgt der Goldschmied fast willenlos dem gewaltigen Zuge, der ihn, je mehr er dem Ziele naht, heftiger immer und unwiderstehlicher fortreißt; halb nur bewußt, halb instinctmäßig die Wachen vermeidend, wird er, wie das Schiff zum verhängnisvollen Magnetfelsen, durch dunkle abgelegne Gassen über die Brücke fort in den menschenleeren Stadttheil jenseits des Arno getrieben. Von Regen triefend kommt er athemlos vor dem verschloßnen Hause an – scheu späht er umher, unter hastigen, vergeblichen Versuchen zu öffnen steigt seine Angst, endlich weicht das Schloß dem rechten Schlüssel, hinein in die nur halbaufgemachte Thür schlüpft Fazio, von innen den Riegel vorschiebend. Mit glücklicher Behendigkeit werden die hindernden Schlösser besiegt, und schon wirft die enthüllte Leuchte gelbe Streiflichter in Grimaldi’s Wohnstube. – Wenn vor der zauberkräftigen Blume der Berg sich aufthut, dann sollen in den weiten Hallen gleißende Erzgänge, helle Demanten, lustige Smaragden, dunkelglühende Rubinen – die Lichter der Tiefe – in funkelnden Haufen wunderbar flimmernd und schimmernd, mit der falben Flamme der Oberwelt den Wettstreit beginnen und mit entzückendem Stralenspiel die Augen des glücklichen Sterblichen blenden. – So auch hat sichs Fazio hier geträumt; lüstern schweifen die Blicke voraus ins Helldunkel – nackte, qualmgraue Wände, daran ein dürftig hastes Ruhebett, ein ärmlicher Hausrath, morsche Tische, wenige Holzschemel, ist Alles was sich dem gierigen betrognen Späher entdeckt. – Als haben höllische Dämonen den schon heraufbeschwornen, schon heranschwebenden Schatz tückisch vor ihm zurückgerissen in den Abgrund, – so war dem Goldschmied zu Muthe, und der Geist des Wuchrers umschwebte ihn.

Doch es erhellt sich ein dunkler Winkel des Gemachs, und eine alte Truhe wird offenbar, eisern, von bräunlichem Rost angenagt, mit starken Bändern, wie von ehernen Armen, an den Boden gedrückt. – Wie der Falke auf die Beute schießt Fazio dort hin. Vor dem Kasten niederknieend, die Laterne geöffnet neben sich gestellt, dreht er, von brennender Begierde gestachelt, hurtig zwei vorgehängte Schlösser auf – jetzt erschließt der größte Schlüssel schnell das mächtige Hauptschloß, und der gewichtige Deckel fährt, wie von der Springwurzel berührt, prasselnd aus. Fazio schreckt zusammen, als er schaudernd um sich blickt, meint er das drohende Gespenst des Ermordeten hinter sich wancken zu sehen – es war nur sein eigner Schatten, der, dämmernd an der rußigten Wand aufgewachsen, vom Flackerlicht des Lämpchens sich ungewiß regte. Nichts hält ihn mehr – Armspangen, Ringe, Juweelen, Kleinodien aller Art, daneben drei schwere Beutel, er reißt auf – es ist Gold – diese werden herausgenommen, in den Mantel gewickelt, die Truhe verschlossen, Alles in die vorige Ordnung gebracht, die köstliche Beute aus die Schultern gehoben, alle Thüren zugemacht, und nun gebt es in geflügelter Eile auf dem sichern Wege zurück nach Hause, Freude und Bangigkeit lassen den Träger die drückende Last nicht spüren. –

Angekommen, nachdem er sich der süßen Bürde entledigt hat, faßt er den Leichnam, alle Furcht, alles Mitleid ist dahin, er schleift ihn die dunkle Treppe hinab in den Keller, mit einem Grabscheid wird die Erde aufgewühlt, es geht ihm von der Hand, als sei er nur den Spaten zu führen gewohnt; die Grube ist weit und tief genug, der Körper, bekleidet wie er ist, wird hineingestürzt, die Schlüssel ihm nach, das Loch wird gefüllt, die übrigbleibende Erde im Keller vertheilt, alles sorgsam festgestampft, das geübteste Auge konnte die Stätte nicht entdecken.

Im seligen Gefühl der Sicherheit springt Fazio die Treppe hinan, und fällt über die Schätze her; die Beutel werden ausgeschüttet, mit den Händen wühlt er wollüstig in dem Goldhaufen, er tanzt wie ein Kind in der Werkstatt umher, er zählt, er wiegt das Gold, er versucht es auf dem Prüfstein – es bewährt sich, er taumelt vor Wonnen. Zuletzt aber weicht der Freudenrausch ruhiger Ueberlegung, vorsichtig wird der Raub verschlossen und verwahrt, die Säcke verbrannt, ja er verstreut die Asche in die Luft, damit auch diese nicht ihn verrathen könne. – Es ist heller Morgen, und er sinkt ermattet in die Arme des Schlummers.

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_066.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)