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Verschiedne: Wünschelruthe


den sie noch in dem erwähnten Museum aufbewahrt, denn Raffaello Toscano der sein Gedicht über die Erbauung Mantuas’s im J. 1587 herausgab gedenkt ihrer ausdrücklich[1]. Allein nach dieser Zeit geschieht ihrer nirgends Erwähnung mehr, und es ist sehr wahrscheinlich, daß sie nebst andern herrlichen Kunstsachen bei der Plünderung Mantuas durch die kaiserlichen Truppen im J. 1630 zu Grunde gegangen sind. -

(Der Schluß folgt).




Geschichte eines Algerier-Sklaven.




(Fortsetzung.)

Auf dem Sklavenmarkt kaufte ihn der Vezir des Dei, ein Renegat, mit Namen Casnatzi, und da er ein wackerer tüchtiger Bursch war, hatte er es gut bei ihm, ja er machte ihn, da er etwas schreiben und ein wenig Italienisch und Französisch konnte, zu seinem Haushofmeister. Aus dieser Zeit rührt jener Brief her, den er an den Fürstbischof geschrieben. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lang; der Vezir fiel plötzlich in Ungnade und ward strangulirt, sein Vermögen verfiel dem Dei, und seine Sklaven wurden öffentliche Sklaven. Da fing sein eigentliches Elend an, und dauerte 17 Jahre hindurch bis zu seiner Befreiung. Die Sklaven mußten große Steine auf Schleifen aus dem Lande nach dem Molo ziehen, oft 20 vor einen Stein gekuppelt, in schärfster Hitze durch den glühenden Sand, und dazu nichts als 1 Pfund Brod, und ein kleines Maaß mit Oehl und Weinessig. Dabei hätten die Aufseher auch nicht gespaßt und wie einer niedergesunken aus Mattigkeit, hätten sie darauf geschlagen bis er wieder munter. Da sei einmal eines Tags, als einer der Aufseher grad frisch daraus geschlagen, ein Derwisch in der Ferne vorüber gegangen; der wäre, es ansehend, still gestanden, und ihn zu sich winkend, hätten sie an den Geberden gesehen, daß er ihm ins Herz geredet, oft mit der Hand nach dem Himmel zeigend, da hätte der Ausseher die Erde geküßt und dem Derwisch die Hand, und als er wieder zu ihnen gekommen, sei er ganz verändert gewesen, und 2 Wochen ganz mild. Alle Jahr ein paarmal wäre der Dei auf einem Spazierritt bei ihnen vorbei gekommen, und wie sie ihn auf ihren Knieen um Gnade gebeten, habe er eine Hand voll Zechinen ausgeworfen welche sie gesammelt und dem Schwedischen Consul gebracht hätten. Der hätte sie dann insgesammt an gewissen Tagen losgekauft, und ihnen einmal satt und gut zu essen gegeben.

Ein Paar Jahre hielt der kräftige Körper Hermanns dieß Leben aus, als er aber einstmals einen Sack mit vielen Brodten tragend darunter niedergestürzt ist, dergestalt daß er mehrere Knochen im Rücken gebrochen, haben sie ihn in ein Loch geworfen da er dann so lang gelegen bis er heil gewesen, und weil er nicht verbunden, so ist er ganz krumm in einander gewachsen.

Doch hätte sie das Volk mit einigem Mitleiden betrachetet, ja als die Revolution gegen die Juden[WS 1] ausgebrochen und diese mit dem sie begünstigenden Dei alle ermordet wurden, hätten sie gedacht die Reihe[WS 2] würde nun an sie kommen und viele von ihnen hätten es wohl gewünscht, aber sie wären unberührt unter der wogenden Menge umher gegangen.

Oft hatte ihn, als er noch bei dem Vezir gewesen, dieser bereden wollen auch Renegat zu werden und ihm dann groß Glück und Ehre versprochen, er hat aber nicht gewollt.

Endlich als 1806 Hieronymus Bonaparte den Dei gezwungen die Christen-Sklaven frei zu geben, ist auch Hermann befreit worden, und an der italienischen Küste ausgesetzt, mit 8 Kronen beschenkt, ist er nach seiner Heimath gewandert.

Das war der Inhalt seiner Erzählung, die der Drost so nach und nach ihm abfrug. Zu Hause ging es ihm aber traurig, sein Bruder sah ihn nur ungern, arbeiten konnte er nur wenig, dabei klagte er über unausstehliche Kälte.

Während der Curzeit ging er oft nach dem Driburger Brunnen, bettelnd und wer sie hören wollte, seine Geschichte erzählend.

Im Spätherbst kam er noch einmal zu dem Drost H..n, und auf dessen Frage, da er nach erhaltenem[WS 3] Almosen noch stehen bleibt, „ob er noch was besonders wollen?“ klagt er erst nochmals seine Noth uud bittet zuletzt flehentlich ob ihn der Drost nicht könne ganz zu sich nehmen, er wolle ja gern all die kleine Arbeit eines Hausknechts thun; das schlug dieser ihm aber rund ab, aus dem unangenehmen Gefühl einen vorsetzlichen Mörder unter dem Dache zu haben.

(Der Schluß folgt).



  1. S. Rafaelo Toscano l’ Edificatione di Mantova etc. Mantova 1587. 16. p. 25.

    „Non meno e l'opera sontuosa, e degna,
    Ch'ivi s’ ammira di tanti Scultori,
    Duo Cupidi vi non, ch’ empion d'invidia,
    Pigmaleone, Prassitele, e Fidia etc.“

    Man sieht hieraus, daß Michel Angelo's Cupido dem des Phidias an Schönheit nicht nachgestanden hat.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wegen der Juden. Siehe Druckfehler S. 88.
  2. Vorlage: Rache. Siehe Druckfehler S. 88.
  3. Vorlage: erholtem. Siehe Druckfehler S. 88.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedne: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)