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Verschiedne: Wünschelruthe

Die besten drei Dinge in diesem Leben sind Gottes Huld, Gewissens Unschuld, Mannes Geduld.




Geschichte eines Algierer-Sklaven[1].
Von A. Freiherrn Haxthausen.




Der Bauernvogt von Ovenhausen hatte im Herbst 1782 einen Knecht Hermann Winkelhannes, mit dem er, weil es ein tüchtiger frischer Bursche, wohl zufrieden war. Dieser hatte bei dem Schutzjuden Pinnes in Vörden Tuch zum Foerhemd (Camisol) ausgenommen, und als er wohl schon einige Zeit damit umhergegagen und der Jude ihn nun an die Bezahlung mahnt, so läugnet er, verdrießlich, das schon etwas abgetragene, und auch nicht einmal gut ausgefallene Tuch noch theuer bezahlen zu müssen, jenem keck ab, so hoch mit ihm übereingekommen zu seyn, vielmehr habe er die Elle zwei gute Groschen wohlfeiler accordirt, und nach manchem Hin- und Herreden sagt er zulezt: „du verflogte Schinnerteven von Jauden, du wust mi man bedreigen, eh ek di den halven Daler in den Rachen smite, well ek mi leiver den kleinen Finger med den Tännen afbiten, un wann de mi noch mal kümmst, so schla ik di de Jacken so vull, dat du de Dage dines Levens an mi gedenken fast.“ Dem Juden bleibt also nichts anders übrig, als ihn beim H..schen Gericht, der Gutsherrschaft Hermanns, zu verklagen. In der Zwischenzeit bis zum Gerichtstag hat sich dieser mit mehreren besprochen, und ist ihm von den Bauern, da es gegen einen Juden ging, gerathen worden, es darauf ankommen zu lassen; wie denn sein eigener Brodherr sich später ein Gewissen daraus gemacht hat, daß er ihm damals gesagt habe: „Ei wat wust du denn dat bethalen, eck schlöge ja leiver den Jauden vörm Kopp, dat hei den Himmel vor’n Dudelsack anseihe, et is ja man ’n Jaude!“

Aber am Morgen des Gerichtstages beschwor der Jude sein Annotirbuch, und da er außerdem unbescholten war, ward ihm der volle Preiß zugesprochen; da wollen Leute, die die Treppe herauf gingen, als Hermann von der Gerichtsstube herunter kam, gehört haben, daß er gesagt: „Töf, ek will di kalt maken!“ von welchen Worten ihnen das Verständniß erst nach dem Morde geworden.

Es war Abend geworden, als der Förster Schmidts quer übers Feld auf’s Dorf zugehend, den Hermann an der Ricke herauf nach dem Heilgen Geist Holz zugehen sieht, und, glaubend jener wolle noch spät Holz stehlen, ihm behutsam auf dem Fuß nachfolgt. Als er ihn aber nur einen Knüppel sich abschneiden sieht, und die Zackäste davon abschlagen, so sagt er halb ärgerlich bei sich: „I wenn du wieder nix wult häddest, ase dat, so häddest du mi auk nich bruken dahenup to jagen“; und die Flinte, die er auf den schlimmsten Fall zu schneller Bereitschaft unter den Arm genommen, wieder auf die Schulter hockend, geht er langsam die Schlucht herunter nach dem Dorf zu. Nahe davor zwischen den Gärten begegnet ihm der Jude Pinnes und bittet für seine Pfeife um etwas Feuer, welches man auch keinem Juden abschlagen darf, und weil der Zunder nicht gleich fangen will, so reden sie vom Handel, und ob der Jud seine Fuchsfelle haben wolle, der aber: er könne jetzt nicht wieder umkehren und sie besehen, er müsse nach Hause; „ja“, sagte der Förster ihm das Feuer auf die Pfeife legend, „wenn du noch na Huse wust, so mak dat du vor der Dunkelheit dörch ’t Holt kümmst, de Nacht meint et nich gut med den Minschen“.

Zwei Tage drauf des Nachmittags kommt die Frau des Schutzjuden Pinnes den Höxterschen Weg herunter ins Dorf, schreiend und heulend: ihr Mann läge oben erschlagen im

  1. Die hier niedergeschriebene Geschichte ist wörtlich wahr; viele hundert Leute in der Gegend, wo der Unglückliche lebte, können das bezeugen.
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Verschiedne: Wünschelruthe. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 1818, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_041.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)