Seite:Wünschelruthe Ein Zeitblatt 023.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Wünschelruthe


Drauf die Kammerfrau ihr sagte,
     Wohl nun höret, was sie sprach:
Diesen Traum, Gebietrin meine,
     Wohl zu lösen ich vermag:

45
Jener Habicht ist Herr Roland,

     Kommt vom andern Meeresstrand,
Jener Adler seid ihr, Herrin,
     Die er nimmt sich zum Gemahl,
Und der Berg, das ist die Kirche,

50
     Wo man traut euch am Altar. –

Meine Kammerfrau, ist’s also,
     Soll dir werden reicher Dank. –

Morgens früh am andern Tage
     Brief von fern wird ihr gebracht,

55
Innen war er schwarz geschrieben,

     Aus der Decke blutig stand:
Daß ihr Roland war gestorben
     In der Schlacht von Roncesvall.


2.
Romanze von Rosenblüthe (p. 132).

In Castillien ist ein Schloß,
     Das genannt wird Felsenkühle,
Felsen heißen sie das Schloß,
     Und die Quelle heißt man Kühle;

5
Golden war des Schlosses Grund,

     Feines Silber seine Zinnen,
Zwischen Zinn’ und Zinne steht
     Aufgestellt ein Stein Saffire,
Leuchtet in der Nacht so hell,

10
     Als die Sonn’ in Tages Mitten.

Innen wohnt’ ein Jungfräulein,
     Das sie heißen Rosenblüthe,
Sieben Grafen stehn um sie,
     Und aus Lombardei drei Fürsten,

15
Diese Alle sie verschmäht,

     Also groß ist ihr Muthwille;
Sie dem Ruf nach, nicht dem Seh’n,
     Sich in Montesin verliebte.
Da geschieht’s in einer Nacht,

20
     Daß hell auf ruft Rosenblüthe,

Hörte sie ein Kämmerer,
     Der in seiner Kammer schliefe:
Was ist dieses, Herrin mein,
     Was ist dieses, Rosenblüthe,

25
Habt entweder Liebesqual,

     Oder ihr seid unvernünftig? –
Wohl ich habe Liebesqual,
     Bin mit nichten unvernünftig,
Aber bringt mir diesen Brief

30
     Hin nach Frankreich, dem geschmückten,

Gebt ihn ab an Montesin,
     Mir auf weiter Welt das Liebste,
Sagt ihm, daß er seh’n mich komm’,
     Wenn die Ostern steh’n in Blüthe; –

35
Hab’ zur Gab’ ihm diesen Leib,

     Allerlindsten in Castillien,
Wäre meine Schwester nicht,
     Die im Feuer möge glühen!
Und wenn mehr von mir er wollt’,

40
     Ich viel mehr ihm geben würde,

Gebe sieben Schlößer ihm –
     Aller beste in Castillien.


3.
Romanze von der Julianesa (p. 134).

Dannen Hunde, weg von dannen!
     Tödte euch das böse Leid,
Donnerstags das Schwein ihr tödtet,
     Freitags fresset ihr das Fleisch;

5
Nun, da heut’ es sieben Jahre,

     Daß durch dieses Thal ich schleich’,
Daß entschuht ich schlepp’ die Füße,
     Blut mir von den Nägeln fleußt,
Daß das rohe Fleisch ich esse,

10
     Trink das rothe Blut zugleich,

Traurig Julianesa suchend
     Meines Kaisers Töchterlein,
Weil die Mohren mir’s genommen
     Bei Sankt Johann’s Morgenschein,

15
Als sie in des Vaters Garten

     Rosen pflückt’ und Blümelein. –
Ihn gehört hat Julianesa,
     Die im Arm des Mohren weilt,
Ihrer Augen Thränen fallen

20
     Auf des Mohren Antlitz gleich.




Bücheranzeigen.


Ueber und gegen den thierischen Magnetismus von Dr. C. H. Pfaff[1]. Hamburg, Perthes 1817. –

Ohngeachtet wir mit den Verfasser die Ueberzeugung nicht theilen, daß der Magnetismus nicht viel mehr als schon früher bekannter besonderer Nerven- oder sonst gereitzt-physischer Zustand sei, vielmehr mit jener höheren Naturanschauung glauben, daß diese die Stufen zu jener sind, so ist doch dieß Buch, was er für seine Meinung geschrieben, vortrefflich. Sein klarer tüchtiger Verstand hat viel Falsches aufgedeckt, und eifert mit Recht gegen das kränklich-spielende, oft betrügerische Streben, wodurch dem Magnetismus wissenschaftlich gerade der größte Schade geschieht, während freilich auch hiebei durch Zufall manches entdeckt werden möchte. Die wissenschaftliche Beurtheilung dieses Buchs überlassen wir wie billig Kunstverständigen.

tn.


  1. Vorlage: Dr. C. J. Pfaff
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_023.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)