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Verschiedene: Wünschelruthe

ihr nun eure Enkel zu Bauern werden sehen, oder mir euer Mädchen aufs Wort losschlagen, daß sie an mir lebenslang einen braven Jäger haben soll, den sie begehren muß nach Stamm und Art?“ „Ja“, sagte der verstörte Förster wehmüthig, „dieser Zweig meines Stammes soll unter deiner Namensfirma frisch ausschlagen, und du sollst meine Lebenshandlung fortführen.“ So tritt der Alte ins Haus, und das Mädchen lächelt ihm wie ein Segen entgegen; da hebt er sein Schätzchen in die Arme des Forstlaufers; „hast du an Jägerei Lust“, sagt er, „so nimmst du auch den Jäger gern“; und der Forstlaufer drückte sie an sich und bat: „Annchen, sag ja.“ Aber nein, das Mädchen macht sich los, springt auf, und ruft an der Thüre zurück, sie müsse sich bedenken. Darüber machte Jacob dem Förster Vorwürfe, daß er als Vater doch mehr Gewalt über sein Kind haben sollte, und er möge es ehrlich heraussagen, wie er es wollte mit ihm gehalten haben. So bestellte ihn der Förster zur gewissen Antwort auf ein andermal, wenn sein Mädchen keinen so guten Schuß gethan; und somit ging der Forstlaufer, da sich nichts dagegen sagen ließ, trübselig nach Hause. Anna ging von nun an regelmäßig mit in den Wald, und Jacob mußte in Geduld warten lernen, so manchmal hatte das Mädchen gut getroffen.

Als nun einst die Landesherrschaft eine Kette Birkhühner für ein Frühstück verlangte, und der Förster krank war, stand Anna, sein Amt zu vertreten, in aller Frühe auf. In ihrer Frische ging sie durch Wald und Wiesen den Büschen zu, in welchen sich die Hühner bargen; da sah sie den Forstlaufer den Abhang eines Hügels vor sich hinunter gehen. Wie er so ging und sie ihn erblickte, trat sie still zur Seite, und lehnte sich gedankenvoll auf ihre Flinte. Eben zog die Sonne die hellen Schlingen durch den Wald, die Nacht lag im Schatten der Bäume und hing in ihren Blättern gefangen, die sie auf den goldenen Boden zählte und ihn verdunkelte. – Warum erstarrt im Kaltsinn des Menschen Leid, und schmilzt ihn nicht? Eine heiße Brust gehört dazu, schon in milder Luft zu frieren. – Der Forstlaufer war schußweit von Anna den Hügel herabgestiegen. Sie hatte an ihre Mutter gedacht und an Wilhelm, den sie, als habe der Tod ihrer Mutter alle Liebe auf ihn gelegt, allein noch liebte. Wie der Forstlaufer den letzten Fuß vom Hügel setzte, indem sie bedachte, daß er der sey, der ihr für Beider Liebe leben wollte und nie konnte, legte sie die Flinte auf ihn an und drückte los, als eben zwischen ihr und ihm ein Hirsch herfloh, den sie, statt den Jäger zu tödten, verwundete. Dieser, der Anna nicht gesehen, aber den Hirsch, und den Schuß gehört, ließ seinen Schweißhund an, welcher ihn auf der blutigen Spur durch dichtes Laub und Büsche führte, bis an einen Bach, zu dem der Hirsch hinfloh. Nun meinte Jacob, es sey ein Wilddieb gewesen, und indem er sich umdrehte, zu sehen wer geschossen, daß ihm der Schrot um die Ohren flog, rief Anna: „Mutter, Mutter! ach Wilhelm!“ und lief, ohne daß sie jener gewahrte, wild wie Wasser, durch Büsche, über Wiesen und Felsen; aber die Sonne der Liebe beugte sich über sie, und besah sich in ihren Wellen, und Anna dachte nur an Wilhelm.

Bis gegen Abend wartete der Förster vergebens auf das Mädchen; endlich schickte er den Forstlaufer nach ihr hinaus in den Wald. Nachdem dieser nun mitten in der Nacht zurückkehrte, während der Förster, krank und schwach wie er war, mehrmals von dem Hofe bis zur Wiese vor dem Walde gegangen, und die Nachricht brachte, daß er Anna nicht gefunden; so war der Alte nicht abzuhalten, sich auf der Stelle in den Wald zu begeben, und, grauenvoll wie der wilde Jäger, die Hunde anzutreiben, zu schießen, und zu rufen nach seinem Kinde, um irgend Antwort zu hören wo es sey. Aber nur geschreckte Raben und Eulen schrieen gellend auf, und umschwirrten ihn mit dem Echo, das wie Geier an seiner Brust fraß, als es mit seinem Kinde verscholl.

Auch Wilhelm hatte sich Anna’s, mit wehmüthigem Unmuth wie es schien, oft erinnert. – Lange nun, nachdem die Jäger von Waldau weggezogen waren, saßen eines Abends mehrere von ihnen in Feindes Lande, übermüthig über manchen erfochtenen Sieg, bei Würfel und Wein im Wirthshause; und da sie Geld und Liebesgeschichten auf gut Glück setzten, auch manche beides schon aufgezählt hatten, und Lob und Aufhorchen eintauschten, kam die Reihe des Erzählens an Wilhelm. „Wenn Leute, bei denen man im Quartiere liegt,“ hub er an, „es gut mit einem meinen, und die Kosten dafür dem Kriege ankreiden, macht man manche Erfahrung. Nun hatte ich es mir abgesagt, je ein Mädchen mir so durch die Augen einzuladen, daß sie Essen und Trinken vergäße, um wie ein armes verliebtes Herz zu leben; denn wie mancher Waidmann sitzt dadurch, statt im Walde zu pirschen, neben seinem Mädchen am Heerde, auf dem das Gehölze zum Schornstein hinausraucht, als wäre schon alles Wild des Waldes gebraten. Einst war ich bei einem Förster einquartiert, der sich doch freute, einmahl mehr Jäger, als sich und den Forstlaufer, im Dorfe zu sehen, und Jägerei im Walde und Weine leben ließ; so daß ich mit ihm den lieben Tag hätte vertrinken müssen, hätte ich nicht manchmal auf dem Anstand beharret. Seine Tochter, ein sechszehnjähriges Mädchen, schlang sich wie Epheuranken um mich mit liebevollen Zeichen. Ich habe kein Arg daraus, und da sie mich so reichlich über die Gebühr versorgt, denk’ ich: es ist ein gutes junges Kind, das gern spielt und nicht weiß was erwerben heißt. Aber nun sitze ich eines Abends so, und sehe in die Gegend wo ich her bin, als das Mädchen in die Stube gekommen, sich zu mir hingestellt hat, und mit mir nach

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Verschiedene:Wünschelruthe. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1818, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:W%C3%BCnschelruthe_Ein_Zeitblatt_006.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)