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mit einem andern Zeitworte gebildet hat? — Die Antwort darauf liegt sehr nahe. Bei den ersten rohen Versuchen einer Wortfügung mochten nämlich Adjectiv und Substantiv nicht so streng unterschieden sein, als wir sie jetzt in unsern Sprachen unterschieden finden: zumal da die Verschiedenheit beider Bezeichnungsarten nicht sowohl auf innern Merkmalen, als auf dem besondern Gebrauche beruht, der von der einen, und von der andern gemacht wird. Substantiv war der Natur der Sache nach dasjenige Wort, welches den Hauptbegriff, oder das Subject eines Satzes bezeichnete: Adjectiv hingegen war jedes Wort, sobald es eine nähere Bestimmung des Hauptbegriffs auszudrücken gebraucht wurde. Auf diese Art konnte dasselbe Wort, wenn es in dem einen Satze das Subject der Rede, in dem andern nur ein Prädicat dieses Subjectes ausdrückte, bald in substantiver, bald in adjectiver Bedeutung vorkommen. — Die eigenthümliche Unterscheidung zwischen Substantiv und Adjectiv ist auch wohl erst später hinzugekommen. Für uns sind sie nun, nachdem durch gewisse äußere Merkzeichen der schwankende Unterschied zwischen beiden fixirt ist, scharf von einander abgeschnitten; aber in der Ursprache durfen wir sie uns noch nicht eben so von einander unterschieden denken.


Aus dieser Gleichartigkeit ergiebt es sich auch, warum sich Substantiv und Adjectiv fast immer in den Endungen gleichen. Da beide durch Abkürzung des Stammworts und durch Verkettung desselben mit einem andern stärker und gedehnter auszudrückenden Worte entstehen, so folgt, daß sowohl

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_308.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)