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Also die ersten Worte faßten in sich ein Substantiv und ein Zeitwort: das Tempus war der Aorist, die Person ganz gewiß die dritte; denn die Ursprache fängt an mit dem Erzählen, und der Ton der Erzählung redet in der dritten Person. — Die ersten Zeitwörter waren weder Activa, noch Passiva, sondern Neutra. Denn das Neutrum bezeichnet einen Zustand, der durch sich selbst bestimmt ist, der folglich auch, seiner Einfachheit wegen, am frühesten zum Bewußtsein, und zur Bezeichnung kommen mußte.


Für alles das, was wir hier über die ursprüngliche Gestalt der Zeitwörter sagen, können die Wurzelwörter der orientalischen Sprachen zur Bestätigung dienen: diese sind Neutra, haben aoristische Zeitbedeutung, und gehen von der dritten Person aus.


Jedes Ding wurde in der Ursprache durch seine höchste Eigenthümlichkeit ausgedrückt. Diese höchste Eigenthümlichkeit eines Gegenstandes bestand wohl in demjenigen, wodurch sich dieser Gegenstand dem Bewußtsein der rohen Naturmenschen am lebhaftesten ankündigte. Dieses Auffallende an einem Dinge konnte nun schon an sich ein Ton sein, und dann ahmte man denselben nach, um den Gegenstand, dem er angehörte, zu bezeichnen. Wenn es sich aber ursprünglich einem andern Sinne, als dem Gehör entdeckte, so suchte man auf die oben beschriebene Art einen Ton, welcher mit jener ausgezeichneten Eigenschaft in Beziehung stand, um auf diese Art wenigstens mittelbar den Gegenstand durch seine Eigenthümlichkeit zu bezeichnen.

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_304.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)