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Wenn auch gewisse Dinge sich nicht ausdrücklich unserm Ohr ankündigen, so kömmt ihnen doch zufälliger Weise, unter besondern Umständen ein Ton zu. Z. B. der Reif hat an sich keinen Ton, wenn man aber über denselben weggeht, so entsteht ein gewisses, charakteristisches Rauschen, von welchem er leicht benannt werden konnte: der Wald tönt an sich nicht, wohl aber, wenn man durchs Gesträuche geht, u. s. w. Oft konnte auch ein Zufall, welcher sich ereignete, als gerade ein Mensch mit der Betrachtung eines Gegenstandes sich beschäftigte, die Erfindung eines Tons für denselben veranlassen. Z. B. jemand sah eine Blume, indem flog eine Biene, welche Honig aus derselben gesaugt hatte, sumsend davon; er sah beides noch nie, in seiner Phantasie vereinigte sich jetzt das Sumsen mit dem Gedanken an die Blume, und diese Verbindung leitete ihn sehr natürlich darauf, für die Blume und Biene eine Bezeichnung zu finden.


Auf diese Weise kam man darauf, Dinge nach gewissen, zufällig mit ihnen verbundenen, oder auf sie bezogenen Tönen zu benennen. Man denke sich nun den Trieb, eine Zeichensprache in Gehörsprache umzuschaffen, selbst dann noch in fortdauernder Wirksamkeit, als schon die bekanntesten Gegenstände — diejenigen, die im Kreise der täglichen Beschäftigungen des Menschen lagen, für das Ohr bezeichnet waren: so ist es sehr begreiflich, wie man endlich darauf geleitet wurde, auch Töne zu Bezeichnung eines Gegenstandes festzusetzen, zu welchen auch nicht einmal ein zufälliger Laut Veranlassung gab. Um die Bedeutung eines solchen Tones zu erklären, mußte der

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_289.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)