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er sich außer Stande sieht, die Natur in dieser Aeußerung ihrer Kraft zu beherrschen. Sollten wir Mittel finden, dieselbe auch hier zu bezwingen, so würde sich jene Furcht bald verlieren. Der Mensch macht sich die Thiere dienstbar, oder flieht sie, wenn er das erstere nicht vermag. So war gewiß, ehe man die Kunst erfand, Pferde zu zähmen, dieses große starke Thier dem Menschen ein Gegenstand des Schreckens: jetzt, da er es sich unterworfen hat, fürchtet er es nicht mehr.


In diesem Verhältnisse steht der Mensch mit der belebten und leblosen Natur: er geht darauf aus, sie nach seinen Zwecken zu modificiren; aber diese widerstrebt der Einwirkung, und nimmt oft genug sie gar nicht an. Daher sind wir mit der Natur in stetem Kampfe, sind bald Sieger, bald Besiegte, — unterjochen oder fliehen.


Wie verhält sich dagegen der Mensch ursprünglich gegen den Menschen selbst? Sollte wohl zwischen ihnen im rohen Naturstande dasselbe Verhältniß statt finden, welches zwischen dem Menschen und der Natur ist. Sollten sie wohl darauf ausgehen, sich selbst unter einander zu unterjochen, oder, wenn sie sich dazu nicht Kraft genug zutrauen, einander gegenseitig fliehen?


Wir wollen annehmen, es wäre so, so würden gewiß nicht zwei Menschen neben einander leben können: der Stärkere würde den Schwächern bezwingen, wenn dieser nicht flöhe, sobald er jenen erblickte. Würden sie aber auf solche

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_260.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)