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handle nach den Resultaten dieses Denkens. Ein vernünftiges Wesen kann aus diesen meinen Handlungen auf das, was ich gedacht habe, schließen. Dies heißt aber nicht Sprache. Bei allem, was Sprache heißen soll, wird schlechterdings nichts weiter beabsichtet, als die Bezeichnung des Gedankens; und die Sprache hat außer dieser Bezeichnung ganz und gar keinen Zweck. Bei einer Handlung hingegen ist der Ausdruck des Gedankens nur zufällig, ist durchaus nicht Zweck. Ich handle nicht, um andern meine Gedanken zu eröffnen; ich esse z. B. nicht, um andern anzudeuten, daß ich Hunger fühle. Jede Handlung ist selbst Zweck: ich handle, weil ich handeln will.


Ich habe mich bei der Erklärung der Sprache des Ausdrucks „willkürliche Zeichen“ bedient. Darunter verstehe ich hier solche Zeichen, welche ausdrücklich dazu bestimmt sind, diesen oder jenen Begriff anzudeuten. Ob dieselben mit dem Bezeichneten natürliche Aehnlichkeit haben, oder nicht, das ist hier völlig gleichgültig. Ich mag zu dem andern das Wort Fisch sagen — ein Zeichen, das mit dem Gegenstande, welchen es ausdrücken soll, gar keine Aehnlichkeit hat — oder ich mag ihm einen Fisch vorzeichnen; ein Zeichen, das mit dem Bezeichneten allerdings Aehnlichkeit hat — in beiden Fällen habe ich keinen Zweck, als den, die Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes bei dem andern zu veranlassen — folglich kommen beide Zeichen darinn überein, daß sie willkürlich sind.

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Johann Gottlieb Fichte: Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprung der Sprache. Hofbuchhändler Michaelis, Neu-Streelitz 1795, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Von_der_Sprachfaehigkeit_und_dem_Ursprung_der_Sprache_257.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)