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bestimmt. Man sieht selbst rohe Leute, wenn sie in eine Kirche treten, wie unwillkürlich, den Huth ziehen. Auch hier, in diesem Heiligthume der Natur, möchte man den Huth ziehen. Unwillkührlich durchbebt die Ahnung eines höhern Wesens mit ergreifendem Schauer jeden, der es betritt. Am Altar, von hartem Stein, wird das menschliche Herz erweicht. Das emporgehobene Auge dringt, durch Schatten, zum Himmel und senkt sich wieder in den tiefsten Abgrund der Kluft — und klar tritt dem Wanderer die Deutung all' seines Wissens — wo auch die Höhe und Tiefe nur Schatten verschleiern, die kein Menschenauge durchdringt — vor die Seele.

Eine Eremitenhütte unter hohen, stark belaubten Bäumen, in einem einsamen Theile des Wäldchens, gewährt weiterhin eine neue Überraschung. Die ganze innere Verzierung derselben besteht in einem Ölgemälde, das eine büßende Magdalena vorstellt. Eine Bank nebst einem Tische, über welchem ein Krucifix hängt, macht das ganze Ameublement aus. Eine sehr zarte und feingefühlte

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/71&oldid=- (Version vom 12.12.2020)