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daß der jährliche Ertrag einer Wiese, die an diese Grabmäler grenzt, immer dem ersten Paare, das während dem Laufe des Jahres aus dem Mitauschen Gewerkstande getraut würde, zu Theil werden sollte, mit der Bedingung, dafür die Birkenallee zu unterhalten und an Stelle der ausgegangenen Bäume, die neue zu pflanzen. Sey es nun aber, daß der Ehesegen auf die Erblasser — die beyde unverheirathet starben — auch selbst in den gepflanzten jungen Stämmen nicht haften will, oder daß die zitternde Hand junger Liebenden die zarten Sprößlinge nicht fest genug in die Erde zu setzen vermag, oder daß das Verhängniß, darüber erzürnt, als zwey Diener der streitenden Themis — beide die Lieblinge des Vaterlandes — einander ohne Neid und Haß theuer und lieb waren und blieben, den Kranz von frischen Zweigen und Blättern zerstört, der auch nach ihrem Tode sie mit einander verbindet, — kurz, mit jedem Jahre scheint die Birkenallee größere Lücken zu erhalten, und einige neu angepflanzte Bäumchen stehen, wie freudenlose Ehen, ohne Blätter, mit verdorrten Zweigen da. Auch der Muthwille hängt sich hier mit seinem Schmutz an die Denkmäler des Verdienstes, wie allenthalben an das Verdienst selbst. Mit Unfläthereyen wird der reine Marmor überschrieben; die bronzenen Buchstaben, ja selbst die Stäbe aus dem Gitterzaun

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/453&oldid=- (Version vom 12.12.2020)