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seinem ihn kaum bemerkenden lustigen Schuldner nach, von dem er hier nicht einmal des Grußes gewürdigt wird. Er scheint den Worten nachzusinnen, mit denen er Morgen seine Mahnung beginnen will. Hier begegnen sich Blicke, in denen freundlicher die Mahnung gegenseitiger Liebe liegt, während dem dort ein paar Gegner, die der Strom der Menge zusammenführte, sich sorgfältig zu vermeiden suchen. Da tritt ein junger Herr mit triumphirender Miene einher, und scheint die Welt zur Bewunderung aufrufen und den Kernspruch einer neuern Philosophie: „Ich bin ich,“ in Blick und Haltung deduciren zu wollen, und zwey Schritte davon eine Dame, die in der Grazie eines neuen Kleides das Erstaunen zu fesseln hofft, mit dem sie sich erblickt wähnt. Hier finden sich Freunde, die ein langes Jahr getrennt, und ihrem Gesichte sieht man die herzliche Freude an, indeß dort die Höflichkeit in vielen Komplimenten den Kontrast zu diesem Gemälde hergiebt. Niemals erblickt man wohl die Liebe zum eignen Selbst so deutlich und unverhüllt, als da, wo man es unter tausend andern herumtragen sieht.

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/421&oldid=- (Version vom 12.12.2020)