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näherten, und der Stamm in seiner höchsten Beugung höher als jene stand. Ich dachte, der Stamm habe, da er in der Höhe kein so schönes Schauspiel genießen können, als die Natur an seinem Fuße gewährte, so sich gebogen, und gleichsam knieend niedergeworfen vor diesem ewigen Steinaltar, auf den der Bach die Opfer stürzte, die in Schaum und feuchtem Staub gen Himmel steigen. Eine andere Linde trennte sich an der Wurzel in drey verschiedene große Stämme, oben doch wieder durch die Krone ihres Laubes mit einander verbunden, — wie Menschen, welche die Erde und der Himmel vereint, und nur die Bahn zwischen diesen, mit harter Rinde, trennt. Ein dritter mächtiger Lindenstamm ragt, vom Drucke eines großen bemoosten Steins fortgerückt, schräg aus dem Hügel, an dem er steht, hervor, und trägt den großen Stein, wie ein freyer Wille die eiserne Nothwendigkeit, gebückt, doch ohne zu sinken. So hat an diesen Stellen allenthalben die Natur im lebendigen Baum und im todten Felsen, im stürzenden Bach und seinem steigenden Staub, ihre deutende Bilder

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/274&oldid=- (Version vom 12.12.2020)