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Volk ihrem Schöpfer weihte, — continuirten das Gemälde einer Wanderung über den stillen Strom der Lethe in meiner Seele so lange, bis mich der schwere Sandweg, den ich am jenseitigen Ufer betrat, zu den mühseligen Pfaden des Erdenlebens zurückführte. Die Kirche, welche massiv und neu erbaut worden (die alte von Holz ward vor einigen Jahren niedergerissen), fand ich von lettischen Männern und Weibern im Sonntagsschmucke angefüllt, und den Prediger — einen ehrwürdigen Greis — gerade auf der Kanzel. Ich blieb unweit der Thüre stehen; als ich aber bemerkte, daß auch hier meine Gegenwart die guten Landleute störte, die sich über den Besuch eines Fremden nicht wenig wundern mochten, so ging ich fort und eilte zum Thale beym Pastorate, das nur einige hundert Schritte von der Kirche entfernt ist. Neben der Pastoratsherberge[1] tritt man in das schöne Thal und wird freudig umfangen von einer lieblichen Aussicht auf einen klaren Bach, der sich durch hohe Erlen

  1. Herberge nennt man in diesen Gegenden ein zur Hauptwohnung gehöriges Nebengebäude.
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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/272&oldid=- (Version vom 12.12.2020)