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Weibes, damals nur wenig Wochen die Meinige, schmeichelten den Trost der Wehmuth wieder in mein Herz. Auch ich hatte wieder Zähren und nur diese versöhnten mich allmählig mit der Natur und der Welt.

Von meines Lebens Heiligthümern scheiden
Gebot des Schicksals ernster Wille mir.
Hier blieb das Bild von meinen Freuden
Und auch das Bild des Kummers hier.

Der erste Strahl vom hehren Sonnenlichte
Fiel auf den Säugling hier herab;
Der erste Blick vom Mutterangesichte,
Den segnend mir die Liebe gab.

Hier war’s, wo ich die ersten Blumen pflückte,
Zum erstenmal an der Geliebten Hand;
Wo innig die Natur mein Herz entzückte
Und ihrer Schönheit Reiz empfand.

Doch war’s auch hier, an dieser heilgen Stelle,
Wo meine erste Thräne sank;
Zum erstemnal am Blumenrand der Quelle
Mein Herz mit Schmerz und Kummer rang.

Was eines Menschen Brust erfasset im Gefühle
Schwebt hier im stillen Hayn empor;
Des Mannes Gram, der Kindheit, süße Spiele,
All was ich liebte und verlor.

Lebt wohl ihr Wiesen und ihr meine Bäume,
Ich kehre nimmer euch zurück,
Seyd noch der Segen meiner süßten Träume,
Wie ehmals meiner Kindheit Glück.

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/27&oldid=- (Version vom 9.12.2021)