Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/26

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit der Inschrift aus Klopstocks Ode an Gott:

Ein stiller Schauer deiner Allgegenwart
Erschüttert Gott mich; sanfter erbebt mein Herz,
Und mein Gebein; ich fühl, ich fühl es,
Daß du auch hier, wo ich weine, Gott bist!

bezeichnen den Betplatz des Eremiten. Ein Schattengewölbe deckt hier einen Altar und einen Sitz von Steinen. Nur auf der Westseite ist die Aussicht nach dem Hofe auf den Bach, der dem Eingange der kleinen Siedeley vorbeyfließt, und auf die gegenüber liegenden Wiesen und Höhen frey und lieblich. Habe ich hier nicht meine Kniee wund gelegen, als ich um Erhaltung des Lebens meiner Mutter flehte? Nachtigallen lockte mein Jammer näher, da ich hier klagte, als sie gestorben war, als wollten sie mich trösten mit den Flötentönen ihres Liedes. Der wilde Schmerz verscheuchte sie, ich wollte keine Lieder voll leiser Wehmuth – den wüthendsten Orkan hätte ich lieber brausen hören, hätte gewünscht, daß er alle Bäume zerstört und das Häuschen zu meinen Füßen zertrümmert hätte. Die Thränen eines geliebten

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/26&oldid=- (Version vom 12.12.2020)