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Frühjahr aufsteigenden Wasser der alten Windau untergraben worden, endlich borst er vor ein Paar Jahren mit fürchterlichem Getöse, indem zugleich die eine Hälfte der Steinmasse in das Bette des Stromes hinabstürzte. Jezt entdeckte sich auch die ehemalige schreckliche Bestimmung dieses Thurmes zu einem schauderhaften Gefängnisse. Auf einer 9 Fuß dicken Mauer ruhte ein schweres Gewölbe, das, außer einem runden Loche, sonst weder Eingang noch Fenster hatte. Die unglücklichen Gefangnen müssen also durch diese Öffnung nicht allein herabgelassen worden seyn, sondern durch denselben Weg auch Luft und Nahrung — wenn man letztere ihnen zu reichen nicht etwa für überflüssig fand — erhalten haben.

Im Anblick dieser fürchterlichen Mauern dachte ich mir den Strom, der sie untergrub, theilte, und den finstern Schleyer, welcher viele Jahrhunderte hindurch hier einen Tempel des menschlichen Elends umhüllt hatte, zerriß, als den Genius der Zeit, wie er die Verbrechen der Vorwelt aufdeckt, bey denen

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/177&oldid=- (Version vom 14.2.2021)