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braucht sie nicht zu erhaschen, wenn sie sie liebt; nicht zu fliehen, wenn sie ihr mißfallen. Die junge Seele, die noch den ätherischen Flügelstaub trägt, den ihr die Gottheit anhauchte, als sie sie schuf, hat noch eine angeborne Kraft des Himmels, die sie wie Adam erst mit ihrem Paradiese verliert, wann die Frucht der Erkenntniß reifte. – Alle freundliche Gestalten schweben ihr selbst entgegen und umfassen sie und halten sie schmeichelud fest; doch alle unwillkmmenen Bösen fliehen sie schnell, wo nur ein trüber Blick sie trift. Die Kinderzeit ist für den Menschen der Sommermonat im höchsten Norden. Die Sonne des freudigen Daseyns geht nie unter, sondern schwebt immer um den Horizont und borgt selbst dem Monde, der endlich für die langen dunklen Nächte des Lebens aufgeht, ein freundliches mildes Licht, damit der Mensch nicht aufhöre nach dem Himmel zu blicken, um von dort die Strahlen zu erwarten. die sein Daseyn erhellen sollen, und nicht bloß die irdisch niedere Flamme nähre, die nicht lodern und nicht wärmen

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Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/16&oldid=- (Version vom 30.8.2019)