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in ihm auch als würdige Meisterin der Kunst erscheint. Ohne Anweisung und seit seiner Jugend blind, singt er mehrentheils nach eigenen Melodieen gereimte Lieder, die er gedichtet, und denen es selten an Sylbenmaaß, doch nie an poetischem Werthe fehlt. — Schon in seinem Gesichte liegt ein Ausdruck, der für ihn interessirt; es ist so ruhig und heiter. Doch sieht man es ihm an, daß mehr als das gewöhnliche äußere Leben die stillen und sanften Züge darin bewegt. Von allen, die ihn näher kennen, wird er als ein moralisch guter Jüngling geliebt; doch ihn und sein Leben zeichnet am besten ein Gedicht, das er über seinen eigenen Zustand entworfen, und das in einer dem Sinne mehr, als den Worten nach, treuen Übersetzung wie ich hoffe, den Leser interessiren wird.

In meiner dunklen Kammer
Hab ich der Noth genug.
Der kennt nicht meinen Jammer,
Den nie das Elend schlug.
Wie mühsam nicht zu irren,
Sich meine Pfade wirren;
In Freude und in Schmerz
Mich leitet nur mein Herz.

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Schlippenbach: Malerische Wanderungen durch Kurland. C. J. G. Hartmann, Riga und Leipzig 1809, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:VonSchlippenbachMalerischeWanderungenDurchKurland.pdf/137&oldid=- (Version vom 14.2.2021)