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Begriff der Lehnsfähigkeit sich erst ausbildete. War hier einmal der Begriff der Ritterbürtigkeit ausschlaggebend geworden, gegen den der Unterschied von Freiheit und Unfreiheit, von Lehngut und Dienstgut ganz zurücktrat, so war noch für weitere Abstufung hinreichender Raum geboten, ohne dass es möglich gewesen wäre, dieselbe auch in den untersten Kreisen durchgreifenden Gesichtspunkten unterzuordnen; in der Unsicherheit der Spiegel über das Enden des Heerschildes und über die Lehnsfähigkeit der untersten Stufe hat dieser Zustand seinen Ausdruck gefunden.[1]

Haben wir uns so die wahrscheinliche Entwicklung des Instituts übersichtlich vergegenwärtigt, so ist freilich nicht zu vergessen, dass das nicht überall auf Grundlage gleichzeitiger Zeugnisse geschehen konnte, dass wir uns dabei vorzugsweise durch Rückschlüsse aus dem spätem Zustande leiten liessen, und ich bezweifle nicht, dass eine eingehendere Beachtung der Zeugnisse über die Zustände der früheren Entwicklungsperioden, wie sie unserm nächsten Gesichtspunkte ferner lag, hier noch manches ergänzende und berichtigende Ergebniss gewähren wird. Erweist sich aber unsere Darstellung im allgemeinen als hinreichend begründet, so ergibt sich, dass zwar die Anschauungen, welche der Lehre vom Heerschilde zu Grunde lagen, schon auf den frühesten Entwicklungsstufen wirksam waren, dass aber die genauere Gestaltung, wie sie in den Rechtsbüchern vorliegt, nicht über die Mitte des zwölften Jahrhunderts zurückreicht. Für alles werden wir nicht einmal so weit zurückgreifen dürfen; erst um das J. 1180 wurden die auf der ersten Stufe stehenden weltlichen Vasallen ausschliesslich als Reichsfürsten bezeichnet, während bis dahin dieser Ausdruck nicht durch den Heerschild bedingt war;[2] und dabei handelte es sich nicht bloss um die äussere Bezeichnung, sondern, wie ich anderweitig nachweisen werde, auch die bedeutenden Vorrechte, welche die Rechtsbücher dem Fürsten zusprechen, sind erst seitdem als ausschliesslicher Vorzug der höhern lehnrechtlichen Stufe nachzuweisen, standen früher nicht in engerer

Beziehung zum Heerschilde.

  1. Vgl. oben S. 190.
  2. S. 117.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_227.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)