Seite:Vom Heerschilde 218.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit Anschauungen zu thun, welche nicht blos für Deutschland, sondern für das ganze Abendland als massgebend betrachtet werden mögen. Und in diesem stellt dann nicht etwa das Kaiserreich als ein enger geschlossenes Rechtsgebiet sich dar; wo wir die entsprechenden Verhältnisse Italiens zu berühren Veranlassung fanden, ergab sich ein Abweichen derselben von Anschauungen, welche doch der deutschen und französischen Entwicklung gemeinsam waren.[1] Und wenn diese sich schieden, war keineswegs immer der Staatsverband das ausschlaggebende Moment; wieder und wieder gelangten wir zu dem Ergebnisse, dass nicht blos die burgundischen, sondern auch die lothringischen Reichslande französischer wie deutscher Zunge sich der französischen Entwicklung näher anschlossen, von der deutschen sich schieden, für welche sich in solchen Fällen durchweg eine strengere Durchbildung der dem ganzen Verhältnisse zu Grunde liegenden Anschauung ergab.[2] Aber ganz durchgreifend konnte das doch nicht der Fall sein; auf die Gestaltung einer Ordnung, welche im deutschen Könige gipfelte, konnte der staatliche Verband des deutschen Königreichs nicht ohne massgebenden Einfluss bleiben. So war die eigenthümliche Stellung der geistlichen Fürsten in Lothringen keine andere, wie in den übrigen deutschen Ländern, finden die Erfordernisse des Fürstenstandes auch dort ihre volle Anwendung; höchstens dass hie und da eine weniger strenge Handhabung der Regel sich bemerklich macht. Und als Eigentümlichkeit der deutschen Entwicklung, von der wir Lothringen im allgemeinen auszuschliessen kaum genügenden Grund haben, dürfte die noch stark hervortretende Einwirkung landrechtlicher Momente gelten dürfen, welche eine Gestaltung der Heerschildsordnung nach rein lehnrechtlichen Gesichtspunkten ausschloss, dem Fürstenamt, dem Geburtsadel, der Freiheit doch neben der Zahl der Lehnsverbindungen und der die alten Standesunterschiede verwischenden Ritterbürtigkeit ihre Geltung in der Lehre wahrte, Lehnsverhältniss und Dienstverhältniss auseinanderhielt, und so zwar einem

Ueberwuchern und Verdrängen der landrechtlichen Gestaltungen

  1. Vgl. oben S. 55. 63.
  2. S. 16. 48. 72. 120. 121 131
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_218.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2022)