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hingestellt, enger gefasst wäre, als die Beachtung der Thatsachen rechtfertigen kann; es wird insbesondere nicht zu verkennen sein, dass das wirkliche Leben uns manche Einflussnahme, manche Weiterbildung der der Lehre zu Grunde liegenden Anschauungen, und wieder auch manche Abweichung von ihnen zeigt, welche in den Rechtsbüchern unbeachtet blieben und so die Darstellung derselben mehrfach nicht allein als lückenhaft, sondern auch als einseitig und ungenau erscheinen lassen. Aber wie hätte das gerade da anders sein können, wo zum erstenmale der Versuch gemacht wurde, die ganze reiche Mannichfaltigkeit der thatsächlichen Rechtsgestaltung in ihren leitenden Grundsätzen zu erfassen, aus der Menge der Einzelfälle die sie beherrschenden Regeln zu gestalten, wie das doch bei der Abfassung der sächsischen Rechtsbücher der Fall war. War den Verfassern der süddeutschen Rechtsbücher in dieser Richtung der Weg schon geebnet, müssten wir an und für sich bei ihnen einen Fortschritt nicht allein in Vollständigkeit, sondern auch in Genauigkeit der Darstellung erwarten, so kann es befremden, dass das entschieden nicht der Fall ist, dass wir häufiger die Angaben des Schwabenspiegels, als die des Sachsenspiegels, im Widerspruche mit den Ergebnissen aus den Thatsachen fanden. Die Vorlage, welche jene nur hätte fördern können, wenn sie in gleichem Umfange, wie der Vorgänger, mit der thatsächlichen Rechtsübung ihrer Zeit und ihres Landes vertraut seine Angaben mit dieser verglichen, sich nur für die äussere Form und Gestaltung des Stoffes von ihm hätten leiten lassen, diese Vorlage musste überaus hindernd einwirken, da ihnen die dazu erforderliche Selbstständigkeit und wohl auch Kenntniss abging, da sie auch ihrem Inhalte sich enger anschlossen, als bei genügender Rücksichtnahme auf die Verschiedenheit der Zeit und insbesondere auch des Orts hätte der Fall sein dürfen.[1]

Und das fällt um so mehr ins Gewicht, als doch auch für unsere Lehre manche Verschiedenheit der örtlichen Gestaltung

nicht zu läugnen ist. Vielfach haben wir es freilich

  1. Vgl. oben S. 145.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_217.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)