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näher liegen, als die Glosse nicht allein die Kurfürsten, sondern auch den von Braunschweig, umb das daz er keines bischoffs man ist, in den zweiten Heerschild setzen will.[1] Die bevorzugte Stellung der Kurfürsten gehört überhaupt einer zu späten Zeit an, als dass eine Einflussnahme derselben auf die Schildverhältnisse irgend wahrscheinlich sein sollte; sehen wir von dem auf anderer Grundlage beruhenden Vorzuge Böhmens ab, so durfte unzweifelhaft wohl kein Laienfürst ohne Niederung Lehen von einem weltlichen Kurfürsten nehmen, und diese selbst waren durchweg Mannen der Reichskirchen. Gewichtiger könnte die so zuversichtlich ausgesprochene Angabe über die Stellung Braunschweigs erscheinen; aber die Thatsache, aus welcher dieselbe abgeleitet wird, ist einfach unrichtig. Es gab freilich nach 1180 eine Zeit, in welcher die Welfen keine Kirchenlehen hatten oder doch keine haben sollten; aber schon im dreizehnten Jahrhunderte finden wir die Herzoge von Braunschweig wieder als Vasallen von Mainz, Bremen, Magdeburg, Verden, Minden, Halberstadt, Hildesheim, Merseburg, Korvei, Werden, Quedlinburg und Gandersheim,[2] was den dritten Heerschild hinreichend begründen dürfte. Es gab keinen Laienfürsten ohne Kirchenlehen; und in Folge dieser Thatsache war unzweifelhaft die Anschauung einer niedern lehnrechtlichen Stellung des ganzen Standes so fest gewurzelt, dass, wäre der Fall eines Verzichtes auf die Kirchenlehen durch einen Laienfürsten je eingetreten, gewiss niemand eine Erhöhung des Schildes darin gesehen, niemand ihn für fähig gehalten haben würde, nun gleich den Pfaffenfürsten andere Laienfürsten ohne Niederung belehnen zu können.

Der Schild des freien Herren konnte erhöhet werden durch Verleihung eines Fahnlehens oder, da dieser Ausdruck auf den Süden nicht passt, eines Fürstenamtes; der einzige Fall, welchen der Sachsenspiegel als zutreffend erklärt. Da hier der besondere Charakter des Lehens durch landrechtliche Momente bedingt war, der Erwerb desselben auch landrechtliche Vorrechte zur Folge

  1. Gl. zu Sächs. Ldr. 1, 3.
  2. Orig. Guelf. 3, 663. 667. 4, 99. 127. 128. 177 208. 211. Sudendorf UB. 1, 11. 17. 19. 59. 62. 106.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_208.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)