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dass hier, wo es auch ritterbürtige Gemeinfreie gab, der Stand der Nobiles von den untern Ständen schärfer geschieden erschien.

So weit uns demnach die Urkunden hier Aufschluss ertheilen können, gab es im Süden unter den Fürsten nur einen Stand ritterbürtiger Freien, welcher mit dem der Edelherren oder freien Herren zusammenfällt. Diesem Resultate scheint nun der Schwabenspiegel zu widersprechen, insofern er zwei Klassen lehnsfähiger Freien aufführt und nur der ersten derselben die Bezeichnung der freien Herren beilegt, welche doch nach den Urkunden allen ritterbürtigen Freien zukommen sollte; um so schwerer ist abzusehen, was wir unter den Mittelfreien zu verstehen haben, zu deren genauerer Bestimmung die Urkunden keinen Anhalt bieten; der Ausdruck selbst scheint anderen gleichzeitigen Quellen ganz fremd zu sein.

Auf die Widersprüche in den Angaben des Schwabenspiegels über die Standesabstufungen ist schon mehrfach hingewiesen; sie scheinen mir weniger dadurch bedingt, dass zur Zeit seiner Abfassung die Elemente der Ständeverfassung in Gährung begriffen waren und nach einer neuen Gestaltung rangen,[1] als vielmehr durch die Entstehungsgeschichte des Rechtsbuchs. Wie nachtheilig die sächsische Vorlage mit ihren zu den Verhältnissen des Südens oft gar nicht passenden Bestimmungen in dieser Richtung vielfach eingewirkt hat, bedarf keines Beleges; es zeigt sich ein Schwanken zwischen möglichst engem Anschlusse an die Vorlage einerseits und Beachtung der abweichenden thatsächlichen Zustände des Südens andererseits; kam hier vorzugsweise das eine, dort das andere Moment zur Geltung, so mussten sich nothwendig Widersprüche daraus ergeben. Es kommt hinzu, dass die Verarbeitung der Vorlage zum süddeutschen Rechtsbuche nicht in einem Zuge erfolgte, dass die Verarbeitung des ersten Theils wesentlich Werk des Verfassers des Deutschenspiegels ist, die des zweiten des Verfassers des Schwabenspiegels; dass der erste die niederdeutsche Vorlage nur

  1. Vgl.Zöpfl Alterthümer 2, 225.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)