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wird in der Regel das gewesen sein, wodurch der Bischof die Zustimmung des Grafen zur Vergabung erwirkte. Gewöhnte man sich aber dadurch einmal an die Anschauung, dass Grafen Vasallen von Bischöfen sein könnten, so mochten bald auch Grafen, welche ihre Grafschaft selbst nicht vom Bischofe hatten, weiter dann auch Herzoge keinen Anstand nehmen, Kirchengut zu Mannlehen zu empfangen. Schien das in Baiern und Schwaben später der Fall zu sein als in andern Reichstheilen, so würde das unsere Ansicht über das Ineinandergreifen beider Verhältnisse insoweit bestätigen, als aus Gründen, welchen wir hier nicht näher nachgehen, in jenen Ländern Vergabungen von Grafschaften an Kirchen nicht stattfanden.

Ziehen wir nun aber auch dieses Verhältniss mit in Rechnung, so wird auch dadurch die Zeit des Beginnes nur wenig zurückgeschoben. Denn das erste mir bekannte Beispiel der Vergabung einer ganzen Grafschaft an eine Kirche ist die der Grafschaft Huy an Lüttich im J. 985;[1] und auch diese steht wenigstens nach Massgabe der erhaltenen Verleihungsurkunden noch sehr vereinzelt; in grösserer Zahl finden sich diese erst seit dem Beginne des folgenden Jahrhunderts. Könnte es demnach an und für sich Zufall sein, dass das erste mir bekannt gewordene Beispiel für die Lehnsabhängigkeit eines der mächtigern Laienfürsten von einem Pfaffenfürsten nicht über 1011 zurückreicht, so werden wir nach Massgabe aller besprochenen Haltpunkte doch annehmen müssen, dass das Verhältniss überhaupt nicht viel früher bestanden haben kann; bei den grossen Vortheilen, welche es den Laienfürsten bot, müssten wir es sonst im eilften Jahrhundert schon viel weiter verbreitet finden.

Als Ergebniss wäre etwa festzuhalten, dass das Verhältniss, vom sächsischen Norden um den Beginn des Jahrhunderts ausgehend, doch erst in der zweiten Hälfte desselben festen Fuss gefasst zu haben scheint, und erst gegen dessen Ende die Anschauung, welche seiner Eingehung früher im Wege stand, im ganzen Reiche gebrochen sein dürfte. Dann gab es freilich

  1. Miraeus Op. dipl. 1, 51.
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Julius von Ficker: Vom Heerschilde. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1862, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vom_Heerschilde_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)