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Schmeichelhaften der Welschen Sing-Art zu vereinigen weiß. Die Deutschen sind hierzu besonders aufgelegt, so lange als sie von Vorurtheilen befreyet bleiben.

 §. 26.  Indessen kan es wohl seyn, daß einige mit dieser meiner Wahl von Manieren nicht gäntzlich zufrieden seyn werden, weil sie vielleicht nur einem Geschmacke geschworen haben; ich glaube aber, daß niemand mit Grunde in der Musick etwas beurtheilen kan, als wer nicht allerley gehört hat und das beste aus jeder Art zu finden weiß. Ich glaube auch, nach dem Ausspruch eines gewissen grossen Mannes, daß zwar ein Geschmack mehr gutes als der andere habe, daß dem ohngeacht in jedem etwas besonders gutes stecke und keiner noch nicht so vollkommen sey, daß er nicht noch Zusätze leide. Durch diese Zusätze und Raffinement sind wir so weit gekommen, als wir sind und werden auch noch immer weiter kommen. Dieses kan aber unmöglich geschehen, wenn man nur eine Art von Geschmacke bearbeitet und gleichsam anbetet; Man muß sich gegentheils alles gute zu nutze machen, man mag es finden wo man will.

 §. 27.  Da also die Manieren nebst der Art sie zu gebrauchen ein ansehnliches zum feinen Geschmacke beytragen; so muß man weder zu veränderlich seyn, und den Augenblick jede neue Manier, es mag sie vorbringen wer nur will, ohne weitere Untersuchung annehmen, noch auch so viel Vorurtheil für sich und seinen Geschmack besitzen, aus Eigensinn gar nichts fremdes annehmen zu wollen. Freylich gehöret allezeit eine scharfe Prüfung vorher, ehe man sich etwas fremdes zueignet, und es ist möglich, daß mit der Zeit durch eingeführte unnatürliche Neuerungen der gute Geschmack eben so rar werden kan, als die Wissenschaft. Indessen muß man doch, ob schon nicht der erste, dennoch auch nicht der letzte in der Nachfolge gewisser neuer Manienieren