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zärtliche Empfindungen besitzet, und den guten Vortrag in seiner Gewalt hat; so erfahren sie mit Verwunderung, daß ihre Wercke mehr enthalten, als sie gewust und geglaubt haben. Man sieht hieraus, daß ein guter Vortrag auch ein mittelmäßiges Stück erheben, und ihm Beyfall erwerben kan.

 §. 14.  Aus der Menge der Affecten, welche die Musick erregen kan, sieht man, was für besondre Gaben ein vollkommner Musickus haben müsse, und mit wie vieler Klugheit er sie zu gebrauchen habe, damit er zugleich seine Zuhörer, und nach dieser ihrer Gesinnung den Inhalt seiner vorzutragenden Wahrheiten, den Ort, und andere Umstände mehr in Erwegung ziehe. Da die Natur auf eine so weise Art die Musick mit so vielen Veränderungen begabet hat, damit ein jeder daran Antheil nehmen könne: so ist ein Musickus also auch schuldig, so viel ihm möglich ist, allerley Arten von Zuhörern zu befriedigen.

 §. 15.  Wir haben oben angeführt, daß ein Clavieriste besonders durch Fantasien, welche nicht in auswendig gelernten Passagien oder gestohlnen Gedancken bestehen, sondern aus einer guten musickalischen Seele herkommen müssen, das Sprechende, das hurtig überraschende von einem Affecte zum andern, alleine vorzüglich vor den übrigen Ton-Künstlern ausüben kan; Ich habe hiervon in dem letzten Probe-Stück eine kleine Anleitung entworfen. Hierbey ist nach der gewöhnlichen Art der schlechte Tact vorgezeichnet, ohne sich daran zu binden, was die Eintheilung des Gantzen betrift; aus dieser Ursache sind allezeit bey dieser Art von Stücken die Abtheilungen des Tactes weggeblieben. Die Dauer der Noten wird durch das vorgesetzte Moderato überhaupt und durch die Verhältniß der Noten unter sich besonders bestimmt. Die Triolen sind hier ebenfalls durch die blosse Figur von drey Noten zu erkennen. Das Fantasiren ohne Tact