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jetzt, daß der vortreffliche Mann trotz bedenklicher Symptome sein leidendes Gesicht nie schonen wollte. Als ich das letzte Mal die Ehre hatte ihn auf der königlichen Bibliothek zu sehen, saß er vergraben in einem Wust von arabischen Manuscripten, und es war schmerzlich anzusehen, wie er seine kranken blassen Augen mit der Entzifferung des phantastisch geschnörkelten Abracadabra anstrengte. Er war Custos in besagter Bibliothek, und er ist jetzt nicht mehr im Stande, dieses kleine Amt zu verwalten. Hauptsächlich mit dem Ertrag seiner literarischen Arbeiten bestritt er den Unterhalt einer zahlreichen Familie. Blindheit ist wohl die härteste Heimsuchung, die einen deutschen Gelehrten treffen kann. Sie trifft diesmal die bravste Seele, die gefunden werden mag; Munk ist uneigennützig bis zum Hochmuth, und bei all seinem reichen Wissen von einer rührenden Bescheidenheit. Er trägt gewiß sein Schicksal mit stoischer Fassung und religiöser Ergebung in den Willen des Herrn.

     Aber warum muß der Gerechte so viel leiden auf Erden? Warum muß Talent und Ehrlichkeit

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Heinrich Heine: Vermischte Schriften. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1854, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vermischte_Schriften_320.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)