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ewig dienstbar zu sein mit Leib und Leben. Er sieht auf dem Altar ein Messer und eine Opferschale, ein schauerlicher Gedanke durchdringt ihn, er erinnert sich, daß die Göttin einst Menschenopfer liebte, und in der Trunkenheit seiner Leidenschaft ergreift er Messer und Schale – Er ist im Begriff, dieselbe als Libation mit seinem Herzblut zu füllen, schon kehrt er den Stahl nach seiner Brust: da springt die wirkliche leibliche Göttin aus ihrem Versteck hervor, ergreift seinen Arm, entwindet seiner Hand das Messer – und beide schauen sich an, während einer langen Pause, mit wechselseitiger Verwunderung, schauerlich entzückt, sehnsüchtig, zitternd, todesmuthig, voll Liebe. In ihrem Zweitanz fliehen und suchen sie sich, aber diesmal nur, um sich immer wiederzufinden, sich immer wieder einander in die Arme zu sinken. Endlich setzen sie sich kosend nieder, wie glückliche Kinder, auf dem Pièdestal der Statue, während die Nymphen sie als Chorus umtanzen und durch ihre Pantomimen den Commentar bilden von dem, was sich die Liebenden erzählen –

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Heinrich Heine: Vermischte Schriften. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1854, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Vermischte_Schriften_275.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)