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I.
Der Wendenkönig.

1.

Wo der Wendenkönig geboren ist und bei wem er in der Jugend bis zu seinem fünfzehnten Jahre gelebt hat, vermag Niemand zu sagen. Man erzählt, dass er eines Abends in der Tracht eines Hirten in ein einzeln gelegenes Gehöft getreten sei. Das Gehöft wurde von einer Wittwe und ihren Töchtern bewohnt. Es befanden sich alle Hausgenossen, da es Winter war, in der Stube am Ofen, als man den Hofhund aussergewöhnlich stark bellen hörte. Man vernahm von weitem den festen Schritt eines Wanderers auf dem hartgefrorenen Boden; als sich aber die Schritte des Fremden dem Hause genähert hatten, verstummte der Hund plötzlich. Bald darauf trat der Fremde in das Zimmer und die Wittwe bewillkommnete ihn. Sie bot ihm an, er möge die Nacht in ihrem Hause bleiben, der Fremde nahm das Anerbieten an. Am andern Morgen betrat die Wittwe ihren Hof; sie ging wie gewöhnlich zuerst zu ihrem Hunde und liebkoste ihn, allein diesmal gab derselbe keinen Laut von sich und bald merkte sie zu ihrem Schrecken, dass derselbe stumm sei. Kurze Zeit darauf betrat auch der Fremde den Hof. Als er das Vieh besah und ein krankes Stück unter demselben bemerkte, versprach er, er wolle es heilen. Zu diesem Zwecke blieb er einige Tage auf dem Gehöft der Wittwe; da er die Heilung glücklich vollbracht hatte, sprach man bald im ganzen Dorfe von dem Fremden; man brachte ihm viel krankes Vieh, er aber heilte alles.

Es traf sich nun, dass einmal Tanz in der Schenke war. Der Fremde nahm an demselben Theil. Bald kam es zum