Ein junger Bauer hatte gehört, man müsse, wenn man von der Murawa gedrückt werde, nach der Brust fassen und das festhalten, was man darauf ergreife. Als ihn nun die Murawa wieder bedrängte, griff er zu und erfasste einen Strohhalm. Den nagelte er an. Am nächsten Morgen hing seine Geliebte todt an der Wand.
Auf einem Baum sass eine Schlange, welche den Kindern, die dort vorübergingen, nichts that. Als aber ein alter Mann bei dem Baum vorbeiging, kroch sie herunter, umschnürte ihn und zerbrach ihm alle Knochen im Leibe. Die Schlange ist die Murawa gewesen.
Die Murawa ist früher des Mittags in den Getreidefeldern herumgegangen. Einst stiess sie dabei auf eine Schlange. Sie wollte nach derselben greifen, allein die Schlange verschwand in der Erde. Die Murawa folgte der Schlange in die Erde nach. Endlich kam sie an einen See, welcher ganz voll Schlangen war. Nun wollte sie wieder zurück, konnte aber den Rückweg nicht mehr finden. Da hat sie unter der Erde bei dem Schlangensee bleiben müssen, ihr Geist erscheint aber noch öfters in der Gegend, von wo aus sie der Schlange in die Erde gefolgt ist und sehnt sich nach Erlösung.
In der mjas god Zeit erscheint die Murawa des Abends von 11 Uhr an; deshalb wird eine Stunde vorher der Flachs, welcher sich noch auf dem Wocken befindet, abgebrannt.
Wenn die Murawa in der mjas god Zeit kommt, so sieht man sie zwar nicht, aber sie speit auf den Wocken derjenigen Frau, welche an einem dieser Tage spinnt.
Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Veckenstedt_-_Wendische_Sagen,_M%C3%A4rchen_und_abergl%C3%A4ubische_Gebr%C3%A4uche.pdf/156&oldid=- (Version vom 10.11.2016)
