Seite:Veckenstedt - Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche.pdf/143

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lassen, dass derjenige, welcher sich als der beste Schütze erweisen würde, sein schönes Töchterlein heirathen solle. Der junge Jägerbursche vernahm auch von diesem Scheibenschiessen. Da er ein trefflicher Schütze war, so stellte er sich zu demselben ein und richtig, als der Abend kam, hatte er alle Schützen durch seine Sicherheit im Treffen besiegt; er ward als Sieger ausgerufen.

An dem Tage war er aber nicht in die Kirche gegangen. Der König nahm ihn darauf mit in sein Schloss, um ihm die Prinzessin zu zeigen. Als er die Königstochter gesehen hatte, sagte er zu dem Könige: „Du kannst Deine Tochter behalten, meine Braut ist viel schöner.“ Darauf ging er seiner Wege.

Nun war aber das Jahr um und der Jägerbursche begab sich an dem bestimmten Tage an den See. Allein so viel und so lange er auch an dem Ufer auf und ab ging, er sah keinen Schwan. Endlich liess sich eine Stimme vernehmen, die sprach: „Warum bist Du nicht jeden Sonntag in der Kirche gewesen? Warum hast Du meine Schönheit verrathen? Jetzt haben sie mich nach dem Glasberg gebracht.“

Traurig ging der Jägerbursche fort, um den Glasberg zu suchen, denn er hatte sich gelobt, es möge kommen, was da wolle, er werde die Prinzessin erlösen. Er zog durch viele Länder und Städte, nirgends aber hörte er etwas von dem Glasberg. Endlich kam er an eine Mühle, welche in einem grossen finstern Walde lag. Die Mühle sah sehr seltsam aus, es herrschte eine tiefe Stille darin und der Jäger wagte nur furchtsam hinein zu gehen. In der Mühle traf er den Müller. Den bat er, dass er ihm doch etwas zu essen geben möchte, denn er sei sehr hungrig und schon lange Zeit unterwegs. Der Müller aber sprach zu ihm: „Wie kommst Du denn hierher? Seit siebenhundert Jahren ist kein Mensch hier gewesen, Du bist der erste, welcher seit dieser Zeit meine Schwelle überschritten hat.“ Da erzählte der Jäger dem Müller Alles und sprach: „Niemand als Du kann mir helfen.“ Der Müller sagte: „Iss nur und trinke, so viel Du magst; stärke Dich nur erst. Was in meinen Kräften steht, will ich thun und Dir helfen.“