Teufel den Verstand gegeben.“ Fortan erschien sie auf der betreffenden Flur nicht mehr.
Die Serpolnica zeigte sich des Mittags zwischen elf und zwölf Uhr auf dem Felde, wenn eine Sechswöchnerin sich mit ihrem Kinde um diese Zeit dort aufhielt. Sie kam deshalb zu den Sechswöchnerinen, weil diese mit dem Kinde um die Zeit hätten zu Hause sein müssen.
Einst ging eine Frau des Abends spät aus, um Gras zu sicheln; sie war schwerhörig und so vernahm sie denn nicht, dass es zwölf schlug. Kaum war der letzte Schlag verhallt, so stand die Serpolnica vor ihr, griff sie an und rang mit ihr eine ganze Stunde hindurch. Erst als es eins schlug, stand die Serpolnica vom Ringen ab. Eilig ging nun die Frau heim; ganz zerzaust und entkräftet kam sie zu Hause an und erzählte, was sie soeben erlebt.
Zu einem Hirten kam einst die Serpolnica. Der Hirt, welcher eine Peitsche bei sich hatte, wie in den alten Zeiten jeder Hirt eine solche führte, knallte in seiner Angst dreimal damit; sobald er dies gethan, war die Serpolnica verschwunden.
Die Serpolnica, welche von den Kindern Anna Subata genannt wird, ist eine wilde Frau; sie hat aufgelöstes schwarzes Haar, flammende Augen und wohnt in einer Höhle im Walde. Des Mittags von zwölf bis ein Uhr geht sie aus und sucht nach jungen Leuten und zwar mit Vorliebe nach jungen Männern, welche um diese Zeit sich allein im Walde befinden. Sobald sie einen dieser Unglücklichen angetroffen hat, legt sie ihm einige verfängliche Fragen vor: beantwortet sie der Betreffende ungenügend, so muss er sich ihre Umarmung,
Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Veckenstedt_-_Wendische_Sagen,_M%C3%A4rchen_und_abergl%C3%A4ubische_Gebr%C3%A4uche.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)