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IX.
Wenden- und Schildbürgerstreiche.

1.

Als die Wenden in die Lausitz kamen, waren sie noch sehr dumm; sie kannten z. B. die Pferde noch nicht. Nun geschah es einmal, dass man auf einem Kahne ein Pferd nach Leipe brachte. Da glaubten die Bauern, es sei ein grosser Hirsch und fürchteten sich sehr vor demselben.

Branitz.     
2.

Bevor die Wenden auf ihrer Wanderung die Gegend, in welcher sie jetzt leben, erreicht hatten, sind sie noch nicht so klug gewesen wie jetzt; davon haben sie manche Beweise gegeben. So kamen sie einst an einen Bach; an demselben stand eine Weide, welche ihre Zweige weit über das Wasser beugte. Da sagten sie: „Die Weide will trinken, kann aber das Wasser nicht erreichen; wir wollen ihr helfen.“ Sofort machten sie sich an die Arbeit und drückten so gewaltig gegen die Weide, dass der Stamm brach und die Weide mitsammt den Wenden in das Wasser stürzte.

Sylow.     
3.

Als die Wenden zuerst in diese Gegend gekommen sind, waren sie noch ein wenig dumm: deshalb ist ihnen mancherlei begegnet, was nicht in der Ordnung war. So beschlossen sie einst, eine Kirche zu bauen. Sie brachten auch den Bau fertig bis auf die Fenster; die hatten sie vergessen. Zufällig hatten sie oben im Dache eine Oeffnung gelassen. Nun geschah es, dass ein Vogel, als sie in der Kirche waren,