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Alle diese Vorschläge wurden von Kaiser Joseph genehmigt; allein das Befohlene ist doch nur theilweise ausgeführt worden; ein Zustand, wie er sich durch hundertjährige Gewohnheit gebildet hatte, ist schwer zu ändern; in der Hauptsache blieb es beim Alten, bis die Stadt in Folge der Auflösung des deutschen Reichs unter bayerische Hoheit gelangte.


§. 31.

Welche Anerkennung haben aber seit jener reichsstädtischen Zeit die Rechte des Volks gefunden, und wie hat sich unterdessen die Kunst des Regierens vervollkommnet.

Unsere Verfassung ist nicht, wie die Reichsstädtische auferlegt und anbefohlen, sondern sie ist vom Herrn des Landes den Abgeordneten desselben zur Berathung vorgelegt, und von ihnen erst nach der reiflichsten Prüfung angenommen worden.

Kraft ihrer Bestimmungen ist das Volk in seinen Vertretern zur Theilnahme an der Gesetzgebung und an sonstgen allgemeinen Anordnungen berufen, und ohne seine Zustimmung kann keine neue Abgabe erhoben werden.

Jedem ohne Rücksicht auf Geburt, stehen auch die höchsten Aemter des Staats offen, dagegen werden wissenschaftliche und praktische Ausbildung und Befähigung als unerläßliche Bedingungen für den Eintritt in den Staatsdienst gefordert. Die Abgaben sind allerdings größer geworden, allein nur durch einen größern Aufwand konnten verbesserte Einrichtungen im Gerichtswesen und in der Verwaltung zu Stande gebracht werden, und wie viele nützliche Institute sind in unserer Zeit mit bedeutendem Aufwande ins Leben gerufen worden, welche früher gar nicht bekannt waren.

Die größere Last der Abgaben ist aber durch gleichere Vertheilung und Aufhebung früherer Steuerbefreiungen um Vieles erleichtert; (unter der Reichs-Verfassung hat es gegen 200 Jahre von 1521 bis 1707 gedauert, ehe die Stadt einen angemessenern Reichssteuerfuß erlangen konnte) endlich erschweren die Ordnung und Uebersichlichkeit im Haushalte des Staats nicht nur Veruntreuungen, sondern sie lassen auch alsbald erkennen, wo zu ändern und nachzuhelfen sey.

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_36.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)